Streitbare Nachbarn
12. August 2008Bei seinem ersten offiziellen Besuch in Damaskus am Mittwoch und Donnerstag (13./14.08.2008) will der neue libanesische Staatspräsident, Michel Suleiman, mit seinem syrischen Amtskollegen Bashar el Assad die kürzlich von Syrien angekündigte Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen beiden Ländern besprechen und damit den Weg ebnen zu einer längst überfälligen Normalisierung zwischen beiden Ländern.
Obwohl der Libanon seit 1943 und Syrien seit 1946 unabhängige Staaten sind, haben die beiden Nachbarn bis heute keine Botschafter ausgetauscht. Auch standen ihre gegenseitigen Beziehungen bisher unter dem Eindruck eines historischen Abhängigkeitsverhältnisses, das auch jetzt wahrscheinlich nicht einfach beseitigt werden kann, zumindest nicht aus den Köpfen.
Libanon die "19. Provinz" Syriens
So wurde der Libanon bisher von vielen Syrern gar nicht als unabhängiger Staat betrachtet, sondern als "19. Provinz" und damit eigentlicher Teil Syriens. Dies rührte hiervon, dass beide bis zum Ersten Weltkrieg Teil des Osmanischen Reiches und dort Teil von "Groß-Syrien" waren, das sich von Zypern bis in den (heutigen) Irak erstreckte und auch Palästina umfasste. Während des Ersten Weltkrieges vereinbarten Briten und Franzosen (im "Sykes-Picot-Abkommen" vom Mai 1916) eine Aufteilung dieses Gebietes in gegenseitige Einfluss-Zonen und Syrien wie auch der Libanon kamen dabei unter französischen Einfluss. Die in Damaskus residierende französische Verwaltung errichtete daraufhin 1920 einen überwiegend christlich-maronitischen libanesischen Kleinstaat, gefolgt 1926 von einer "libanesischen Republik", die freilich immer noch unter Aufsicht und Hoheit der französischen Mandatsverwaltung stand. Diese Verwaltung stand zur Zeit des Zweiten Weltkrieges unter dem Einfluss von Vichy-Frankreich und war damit Verbündeter von Nazi-Deutschland.
Syrischer Einfluss im Libanon
1943 gab sie dem Libanon die Unabhängigkeit, besonders die Christen dort sind aber bis heute nach Frankreich und zum Westen hin orientiert, während die Muslime sich eher in Richtung Arabische Welt ausrichten – und da besonders nach Syrien, das mit Ende des Zweiten Weltkrieges 1946 seine Unabhängigkeit erlangte.
Aufgrund dieser historischen Entwicklungen hat Damaskus nie aufgehört, den Libanon als Teil des Mutterlandes zu betrachten oder doch zumindest in einem Abhängigkeitsverhältnis, das dem zwischen Monaco und Frankreich vergleichbar wäre. Und Syrien hat über die Jahrzehnte hinweg seinen polirischen und militärischen Einfluss im Nachbarland spielen lassen. Wobei es – besonders während der langen Jahre des libanesischen Bürgerkrieges von 1975 bis 1990 – immer wieder verstand, die unterschiedlichen ethnischen und religiösen Gruppen des Libanon für sich zu instrumentalisieren.
Führten politische Morde zur Wende?
Schon kurz nach Beginn dieses Krieges waren syrische Truppen in den Libanon verlegt worden, um dort für Ruhe und Ordnung zu Sorgen, sie erwiesen sich aber als der verlängerte Arm Syriens, um den Libanon unter Kontrolle zu halten. Diese Truppen blieben auch nach dem Abkommen von Taef, das den Bürgerkrieg offiziell beendete. Sie wurden erst im Jahr 2005 abgezogen, nachdem es in Beirut zu heftigen anti-syrischen Demonstrationen wegen der – vermutlich von Syrien mitverantworteten – Ermordung des ehemaligen Ministerpräsidenten Rafik Hariri gekommen war.
Damaskus bestreitet bis heute jede Verantwortung für diesen Mord wie auch für zahlreiche andere politische Morde in der Folge. Um aber nicht völlig in die Isolation zu geraten, schlug es einen versöhnlicheren Kurs gegenüber Beirut ein. Seine Unterstützung für die islamistische Hisbollah aber erhält es weiterhin aufrecht. So kam es, dass die Normalisierung zwischen Beirut und Damaskus Teil der Lösung ist, die den Streit zwischen Hisbollah und der Regierung Siniora beendete. Stunden vor dem Präsidentenbesuch in Damaskus bleiben politische Beobachter in Beirut aber skeptisch: Sie wollen nicht an eine 180 Grad-Wende Syriens glauben und warnen deswegen, Erfolg oder Misserfolg des Besuches werde sich nicht an den politischen Erklärungen ablesen lassen, sondern einzig und allein an den Taten und konkreten Schritten in seinem Anschluss.