Superstar Albrecht Dürer
25. Oktober 2013"Wenn man sich die 'Apokalyptischen Reiter' anschaut, ist dort ein Detailreichtum auf einer groben Holzplatte umgesetzt, der einfach überbordend fürs Auge ist", sagt Alexandra König. Die 24-jährige Kunsthistorikerin studiert an der Städelschule, der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste, und begleitet seit Oktober 2012 die Planung und die Umsetzung der aktuellen Ausstellung "Dürer. Kunst – Künstler – Kontext" im Frankfurter Städel Museum. Albrecht Dürer (1471 bis 1528) gilt als einer der bedeutendsten deutschen Künstler. Seine "Apokalyptischen Reiter" gehören zu den Meisterwerken der Kunstgeschichte.
Auf zwei Etagen werden rund 280 Kunstwerke von Albrecht Dürer und seinen Zeitgenossen präsentiert. Über einen flauschigen Teppich wandelt der Besucher bei gedämpftem Licht durch die hohen Ausstellungsräume, deren dunkle Wände mit den Kunstwerken harmonieren und den Blick freigeben für das Wesentliche: Das künstlerische und handwerkliche Talent des Meisters aus Nürnberg. "Das ist einfach unglaublich, welche winzigen Details in den Holzschnitten verborgen liegen", sagt Alexandra König und mustert eines von 16 Einzelblättern der Apokalypse, die in einem Halbrund an der Wand hängen. Den Holzschnitt beherrschte Dürer wie kein anderer Künstler vor ihm. "Das Medium wird auf ein neues künstlerisches Level gehoben", betont Alexandra König.
Die Marke Dürer
Die junge Frau mit den leuchtend roten, schulterlangen Haaren hat Albrecht Dürer im Wohnzimmer ihrer Großmutter kennengelernt. Sie erinnert sich an das berühmte Bild des "Feldhasen". Doch erst mit Beginn des Studiums beschäftigte sie sich intensiv mit dem deutschen Maler, der schon zu Lebzeiten ein Superstar der Kunstszene war. Dürers Holzschnitte und Kupferstiche sind in hoher Auflage gedruckt worden und haben sich auch über die Ländergrenzen hinaus rasant verbreitet. "Er hat einen Geschäftssinn entwickelt und ihm war klar, wie der Kunstmarkt funktioniert", so Alexandra König. Albrecht Dürer wurde früh zu einer Marke, die Qualität versicherte. Sein Monogramm ist auf allen Werken zu finden und galt als Qualitätssiegel - und Copyright. Wie stark Dürer die Künstler seiner Zeit beeinflusst hat, lässt sich am Beispiel zweier Ölgemälde ablesen, die den Heiligen Hieronymus im Studierzimmer darstellen. Unmittelbar neben Dürers Werk hängt das Gemälde des niederländischen Malers Joos van Cleve. Die Bildaufteilung und die gesamte Haltung des Heiligen Hieronymus entspricht in Joos van Cleves Werk dem Vorbild bis in die Fingerspitzen.
Vom Goldschmied zum Grafiker und Maler
Nürnberg, Dürers Wohn- und Geburtsort, war in der frühen Neuzeit ein wirtschaftliches und kulturelles Zentrum. Das ermöglichte ihm frühen Ruhm. Auch die Nähe zur Messestadt Frankfurt lohnte sich finanziell für den Künstler, weil er seine Grafiken dort verkaufen konnte. Inspiration holte sich der Maler und Grafiker außerhalb seines Heimatorts. Reisen an den Oberrhein, nach Italien und in die Niederlande führten ihn zu Künstlern und Gelehrten - und dienten dem Geschäft. Entscheidend für sein künstlerisches Schaffen sei vor allem seine Ausbildung als Goldschmied gewesen, sagt Alexandra König. Dort hat er gelernt, Metalloberflächen zu bearbeiten. Das Wissen konnte er für die Fertigung von Kupferstichen nutzen, da sich die Techniken ähneln. Auch in der Goldschmiedekunst kommt es auf den feinen Strich an, den Dürer sowohl in der Druckgrafik als auch in der Malerei eingesetzt hat.
Ein Comic für den Kaiser
Das handwerkliche Können macht noch heute einen großen Teil der Faszination für Dürer aus, glaubt Alexandra König. Sichtbar wird das vor der Ehrenpforte für Kaiser Maximilian I., einem monumentalen Werk aus 36 Einzelblättern. Der Holzschnitt misst dreieinhalb mal drei Meter und gehört damit zu den größten der Kunstgeschichte. Es lässt sich auch als ein riesiges Comic begreifen, das unter den Fürstenhäusern verteilt wurde und in Texten und Bildern vom Ruhm des Kaisers erzählen und erinnern sollte. Allein die Speere der Krieger in den zahlreichen Schlachtszenen sind fein wie einzelne Haare ins Holz geschnitzt worden und zeugen von hoher Qualität. Die zweite Etage empfängt den Besucher mit dem Herzstück der Ausstellung: dem wiedervereinigten Heller-Altar. Daran zeichnet sich besonders deutlich ab, welches Ziel die Ausstellungsmacher bei dieser Dürer-Schau verfolgen, nämlich Werke zusammenzuführen, die sonst in unterschiedlichen Museen hängen und diese in ihren Entstehungskontext zu stellen. Deshalb werden auch die Vorstudien zum Altar präsentiert.
Dürers Kunst bleibt bis heute lebendig
Ein Mann in braunem Sakko mit Einstecktuch kreuzt den Weg. Er ist der stellvertretende Direktor des Städel Museums und der Kurator der Ausstellung. Zufrieden stemmt Jochen Sander die Hände in die Hüfte. Mit dieser Ausstellung werde der Versuch unternommen, Dürer durch die Brille eines Zeitgenossen zu betrachten und zu verstehen, sagt er. Auf die Frage, warum Dürer noch immer so viele Menschen ins Museum lockt, hat Jochen Sander eine einfache Antwort: "Er ist ein guter Künstler." Der Kurator schätzt die direkte Ansprache an den Betrachter, die Dürer in zahlreichen Werken gewählt hat. "Viele dieser Menschen, die wir auf den Porträts sehen, sind seit 500 Jahren tot, und dennoch wirken sie auf uns, als könnten wir ihnen morgen in Antwerpen, auf der Zeil oder in Nürnberg begegnen. Das Lebendige, das Direkte - das ist das Großartige."