IS schwächelt, die Gewalt bleibt
12. Februar 2017Irgendwann im Frühling könnte Rakka fallen. Knapp vier Jahre, nachdem sie von Dschihadistengruppen eingenommen wurde, steht die nordsyrische Stadt nun absehbar vor dem Fall. So jedenfalls erwartet es der britische Verteidigungsminister Michael Fallon. In einigen Wochen solle Rakka vollständig umzingelt sein, dann könne der eigentliche Angriff beginnen. "Wenn nach Mossul nun Rakka befreit ist, werden wir den Anfang vom Ende dieses furchtbaren Kalifats erleben", erklärte Fallon am Samstag gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.
Die Vorbereitungen zur Befreiung der in weiten Teilen von der Terrormiliz "Islamischer Staat" beherrschten Stadt sind seit Monaten im Gang. Bereits im vergangenen November wurden erste Truppen zusammengezogen. Das Heer, das sich vor allem aus rund 40.000 Kämpfern der oppositionellen "Syrischen Demokratischen Kräfte" (SDF) und der kurdischen Volksschutzeinheiten (YPG) zusammensetzr, bewegt sich mit Unterstützung der USA nun immer weiter auf Rakka zu. Auch die russische Luftwaffe greift die Stadt immer wieder an.
Druck auf Rakka wächst
Dennoch dürfte die Befreiung nur langsam vorankommen. Erwartet wird ein zäher Häuserkampf. Dem Vernehmen nach haben die IS-Terroristen die Stadt an vielen Stellen vermint, sodass die Angreifer sich nur langsam vorankämpfen dürften. Dennoch zeitigt der Feldzug erste Resultate. Die SDF gaben vor kurzem bekannt, seit Anfang November 620 IS-Kämpfer getötet zu haben.
Heute wurde vermeldet, die Angreifer hätten die Wasserzufuhr der Stadt bombardiert und unterbrochen. Bereits in der Nacht auf Freitag seien Brücken und die Hauptwasserleitung zerstört worden, heißt es bei der als zuverlässig geltenden Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte. In Rakka leben mehr als 200.000 Menschen. Offen ist, wie sie nun mit Wasser versorgt werden sollen.
Keine Annäherung zwischen Regierung und Opposition
Nach wie vor ungeklärt ist die Frage, wie es nach der Befreiung der Stadt politisch in Syrien weitergehen wird. Auf der Konferenz im kasachischen Astana Ende Januar gaben die Vertreter des Assad-Regimes zu verstehen, dass sie zu Zugeständnissen an die Opposition kaum bereit seien. Zugleich bekräftigten sie ihren Anspruch, auch künftig das gesamte syrische Territorium zu regieren.
Fortfahren wollen sie allerdings mit der Strategie, auf lokaler Ebenen mit Vertretern der nicht-extremistischen Opposition zu verhandeln.
"Die Regierungs-Delegation bestand aus jenen Vertretern, die auch während der Verhandlungen in Genf schon dabei waren", zitiert das Internet-Magazin Al-Monitor einen namentlich nicht genannten Teilnehmer der Konferenz. "Das beweist, wie wenig die Regierung von den Gesprächen hält", fügte er hinzu. Konferenzen wie die in Astana seien generell nutzlos, zitiert das Magazin einen weiteren, ebenfalls auf Anonymität bestehenden Teilnehmer. "Jeder Teilnehmer, jedes Land hat allein die eigenen Interessen im Blick."
Assad geschwächt
Dennoch steht seit dem Fall von Aleppo auch Assad unter Druck. Nach der Vernichtung weiter Teile des IS steht sein Regime vor der Aufgabe, ein Land zu regieren, in dem es nach sechs Jahren Krieg kaum mehr staatliche Strukturen gibt. Die Regierung ist schwach - sie konnte sich nur mit Hilfe ihrer Verbündeten, allen voran Russland und Iran, politisch über Wasser halten. Finanziell ausgeblutet, ohne nennenswerte eigene Ressourcen und politisch weitgehend delegitimiert soll sie nun die Autorität des Staates wiederherstellen.
Wie sie das ohne internationale Unterstützung schaffen soll, ist fraglich. Assad ist weiterhin auf Russland angewiesen. Doch es ist offen, in welchem Maß Putin ihm zur Seite stehen wird. Denn Aufbau und Sicherung staatlicher Strukturen sind nicht nur teuer, sondern auch gefährlich. Teile der Opposition werden sich mit dem Fortbestand der Regierung Assad nicht abfinden wollen und sie durch Terror und Attentate weiterhin zu destabilisieren versuchen. Syrien wäre de facto ein Land der Warlords.
Moskau auf der Suche nach Exit-Strategie
Angesichts dieser Situation, schreibt die in London erscheinende Zeitung Sharq al-Awsat, sei zu erwarten, dass Putin verstärktes Interesse an Kooperation mit dem neuen US-Präsidenten Donald Trump hat. Nur zusammen dürften die beiden Großmächte in der Lage sein, Syrien dauerhaft zu befrieden.
Allerdings hat Trump bereits zu erkennen gegeben, dass er mit dem mit Iran geschlossenen Atom-Deal nicht sonderlich glücklich ist und darüber nachdenkt, ihn aufzukündigen. Das aber dürfte eine Zusammenarbeit mit Teheran auch in Syrien ausschließen - auch eine indirekte Zusammenarbeit mit Moskau als vermittelnder Instanz.
Das, so Sharq al-Awsat weiter, dürfte für Moskau ein starker Grund sein, die Zusammenarbeit mit Iran auf den Prüfstand zu stellen. "Und das heißt, Russland ist für Iran und Baschar al-Assad keine stärkende Kraft mehr. Vielmehr schaut Russland auf seine eigenen Interessen - und das heißt vor allem, nicht mit Trump zusammenzustoßen."
Syrien stehen demnach weiter unruhige Zeiten bevor. Das Ende des Kriegs ist noch längst der Beginn des Friedens.