Syrien: Machthaber Assad lässt sich wiederwählen
27. April 2021Die Kandidaten stehen fest. Rund ein Dutzend Personen werden sich bei den auf den 26. Mai festgesetzten Präsidentschaftswahlen um das höchste syrische Staatsamt bewerben. Der amtierende Dauer-Machthaber Baschar al-Assad hatte seine neuerliche Kandidatur vor wenigen Tagen bekannt gegeben. Neben ihm bewerben sich 13 weitere Politiker um das höchste syrische Staatsamt.
Angeblich 90 Prozent Zustimmung
Dass Assad für eine vierte Amtszeit kandidieren würde, war erwartet worden. Dass der 55-Jährige für eine weitere siebenjährige Amtszeit an der Macht bleiben wird, gilt den meisten Beobachtern dabei ebenfalls als sicher - weil freie und faire Wahlen auch diesmal nicht zu erwarten sind. Die letzten Präsidentschaftswahlen im Jahr 2014 hatte Assad - offiziellen Angaben zufolge - angeblich mit fast 90 Prozent der Stimmen gewonnen. Damals hatte er offiziell nur zwei Gegner.
Die Kandidaten für das Präsidentschaftsamt müssen mehrere Voraussetzungen erfüllen. Dazu zählt etwa, dass sie von 35 Mitgliedern des Parlaments Unterstützung erhalten müssen - dieses wird freilich ebenfalls von Assads Baath-Partei dominiert. Außerdem müssen sie in den letzten zehn Jahren ununterbrochen in Syrien gelebt haben - eine Bestimmung, die syrische Regimekritiker und Oppositionelle im Exil ausschließt. Zwingend vorgeschrieben ist außerdem, dass die Kandidaten mit einer Person verheiratet sind, die im Besitz der syrischen Staatsbürgerschaft ist.
Zur Wahl aufgefordert sind zwar viele, aber längst nicht alle Staatsangehörigen. So können die im Ausland lebenden Syrer ihre Stimme bis zum 20. Mai in den syrischen Botschaften abgeben. Ausgeschlossen ist hingegen ein Großteil der im Land lebenden Binnenflüchtlinge. Millionen von ihnen halten sich derzeit in der nordwestlichen Provinz Idlib sowie in den Ostprovinzen des Landes auf. Diese stehen nicht unter der Kontrolle der Regierung. Stattdessen haben dort die türkischen Militärs oder mit ihnen verbündete Milizen das Sagen. Die in dieser Region lebenden Syrer sind von den Wahlen ebenso ausgeschlossen wie die kurdische Bevölkerung im Norden des Landes.
UN nicht eingebunden
Angesichts dieser Einschränkungen bezweifeln internationale Beobachter, dass die Abstimmung im Mai den Anforderungen des UN-Sicherheitsrates entsprechen wird. Man habe zur Kenntnis genommen, dass für den 26. Mai eine Präsidentschaftswahl angesetzt worden sei, sagt Jenifer Fenton, Sprecherin des UN-Sondergesandten für Syrien, im DW-Interview. "Die Wahl wurde jedoch im Rahmen der aktuellen Verfassung angesetzt. Damit ist sie kein Bestandteil jenes politischen Prozesses, der durch die Resolution 2254 des Sicherheitsrates festgelegt wurde."
Die im Dezember 2015 verabschiedete Resolution sieht die Einrichtung einer Übergangsregierung und anschließend den Erlass einer neuen Verfassung vor. Die derzeitige syrische Verfassung stammt noch aus dem Jahr 2012. Damit ist eine der zentralen Vorgaben der Resolution nicht erfüllt. Die Konsequenzen für die UN liegen damit auf der Hand: "Die UN sind in diese Wahl nicht involviert und haben auch kein Mandat dafür", so Jenifer Fenton. Außerdem ist auch die von den UN geforderte Voraussetzung, dass sich alle Bürger an Wahlen beteiligen können, nicht erfüllt.
Skepsis auch in Deutschland
Die deutsche Regierung sieht dies ähnlich. "Aus Sicht der Bundesregierung bleibt für die politische Zukunft Syriens die Sicherheitsrat-Resolution 2254 maßgeblich", teilt das Auswärtige Amt (AA) der DW in einer Stellungnahme mit. "Diese (Resolution) nimmt auch zum Thema Wahlen Stellung und betont, dass diese frei und fair verlaufen müssen sowie unter Beteiligung aller Syrerinnen und Syrer, einschließlich derjenigen in der Diaspora. Bisher sehen wir allerdings keine Anzeichen für die Vorbereitung von freien und fairen Wahlen im Sinne dieser Resolution", so das AA.
Bereits im März hatte die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Linda Thomas-Greenfield, die internationalen Staatenwelt zur Vorsicht gemahnt: "Diese Wahlen werden weder frei noch fair sein", erklärte sie vor dem Sicherheitsrat. "Sie werden das Assad-Regime nicht legitimieren." Die Biden-Administration hatte damals angekündigt, sie werde das Ergebnis einer Präsidentschaftswahl in Syrien nicht anerkennen, wenn die Abstimmung nicht frei und fair sei, von den Vereinten Nationen überwacht werde und die gesamte Gesellschaft einbeziehe.
Vorwürfe der Opposition
"Staaten, die den politischen Prozess unterstützen, müssen diese Scheinwahlen ablehnen und auf ihre fehlende Legitimität hinweisen", fordert daher Fadel Abdul Ghany, Direktor des "Syrischen Netzwerks für Menschenrechte", im DW-Gespräch. "Stattdessen müssen sie innerhalb eines bestimmten Zeitplans bestimmte Maßnahmen ergreifen, um den politischen Übergang zu Demokratie und Menschenrechten zu verwirklichen."
Ähnlich sieht es auch Naser al-Hariri, Generalsekretär der "Nationalen Koalition der syrischen Revolutions- und Oppositionskräfte": Für ihn ist die bevorstehende Wahl eine "Farce".
Der an der Universität Oxford forschende Politologe Samual Ramani zeigte in einem Tweet die Ergebnisse bisheriger Präsidentschaftswahlen in Syrien auf. Ergebnisse wie diese - mit Zustimmungsquoten von knapp 100 Prozent - gelten als typisches Zeichen für manipulierte Wahlen in nicht-demokratischen Staaten.
Ein kollabierender Staat
Die Wahl findet in einer Zeit statt, da Syrien finanziell kollabiert. Die durch die Kriegsjahre ohnehin bis auf das äußerste belastete Staatskasse steht aufgrund der internationalen Sanktionen und der Corona-Pandemie zusätzlich unter Druck. Nach Schätzungen des Prognosedienstes "Economist Intelligence Unit" liegt die Staatsverschuldung Syriens bei 57,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Bereits im Jahr 2018 - aus ihm liegen die letzten Zahlen vor - betrug die Brutto-Auslandsverschuldung 4,6 Milliarden US-Dollar (umgerechnet 3,8 Milliarden Euro). Die Inflationsrate lag 2020 bei 99,2 Prozent.
Für die meisten der im Land lebenden Menschen ist der Krieg eine Katastrophe. Jüngsten UN-Angaben zufolge sind 13,4 Millionen Menschen - zwei von drei Syrern - auf humanitäre Hilfe angewiesen.
"Nichts als eine Farce"
Assads absehbare Wiederwahl wird sein Regime weiter stärken, sagt Anna Fleischer, Programmkoordinatorin und Analystin im Nahost-Büro der Heinrich-Böll-Stiftung. Das Regime dürfte das offizielle Wahlergebnis vor allem dazu nutzen, sich nach außen weiter zu legitimieren, meint sie. Für die meisten Syrer hingegen werde sich durch die Wahlen nichts ändern, so Fleischer. Auch die deutsche Expertin kommt zu dem Urteil: "Diese Wahl ist nichts als eine Farce."