Syrische Konfliktparteien geben sich unversöhnlich
23. Januar 2014Ban Ki-Moon ist zufrieden. Allen Unkenrufen und Zweifeln zum Trotz ist die internationale Syrienkonferenz zustande gekommen. Sein kurzfristiges Ziel hat der Generalsekretär der Vereinten Nationen damit erreicht: erstmals seit Ausbruch der Feindseligkeiten im März 2011 haben die syrischen Konfliktparteien Gesprächsbereitschaft signalisiert. Im mondänen Montreux Palace Hotel in der Schweiz haben sie einen Tag lang im selben Raum gesessen und sich die Anliegen, Forderungen und Hoffnungen von fast 40 Außenministern aus aller Welt angehört.
Ja, wir schaffen das
"Wir haben heute in Montreux einen ersten kleinen Schritt gemacht", resümierte Ban zum Abschluss der Konferenz. "Wir werden am kommenden Freitag in Genf einen weiteren Schritt machen, wenn sich die beiden syrischen Parteien hinsetzen und miteinander reden." Das sei noch kein Frieden, das sei nicht mal ein Ende der Gewalt, räumte Ban ein und machte doch allen Beteiligten Mut: "Wir haben eine schwierige Wegstrecke vor uns. Aber wir können es schaffen und wir müssen es schaffen."
Vertreter der syrischen Regierung und Vertreter der Opposition haben in Montreux nicht direkt miteinander geredet. Während sie im streng abgeriegelten Hotel ihre unversöhnlichen Positionen vor aller Welt ausbreiteten, demonstrierten draußen lautstark und in sicherer Distanz ihre jeweiligen Anhänger. Zunächst ergriff der syrische Außenminister Walid Muallem das Wort und warnte eindringlich vor einer Ausweitung des Konflikts auf die gesamte Region. Er wiederholte die offizielle Version der Assad-Regierung, nach der Terroristen und ausländische Eindringlinge für den Konflikt verantwortlich sein sollen.
Unversöhnliche Kontrahenten
Den im Raum anwesenden Vertretern der syrischen Nationalen Koalition sprach er jede Legitimität ab. Sie seien "Verräter" und würden niemanden außer sich selbst vertreten, erklärte der Außenminister. "Während in Syrien die Menschen sterben, residieren sie in Fünf-Sternehotels. Wer behauptet für die Syrer zu sprechen", sagte Muallem, "muss dort leben wo sie leben und muss genauso leiden wie sie". Walid Muallem redete sich in Montreux kräftig in Rage und war auch von Ban Ki-Moon, der um eine konstruktive und sachliche Gesprächsatmosphäre bat, nicht zu bremsen.
Ahmed al-Dscharba hingegen, der Chef der syrischen Nationalen Koalition, schlug einen ruhigen Ton an. Sein Oppositionsbündnis stehe voll und ganz hinter den Zielen des so genannten Genfer Kommuniqués vom Juni 2012, betonte er. Dieses auch "Genf 1" genannte Dokument ruft die syrischen Konfliktparteien zu einem Ende der Gewalt und zur Bildung einer Übergangsregierung auf. "Ich möchte wissen, ob es hier im Raum einen Partner gibt, der gewillt ist, Seite an Seite mit uns an der Umsetzung des Genfer Communiqués zu arbeiten", rief al-Dscharba in den Raum.
Übergangsregierung mit oder ohne Assad?
Die anwesenden Außenminister bekräftigten einstimmig die Erwartung, dass am Ende des "Genf 2" genannten Gesprächsprozesses zwischen den Konfliktparteien die Bildung einer Übergangsregierung stehen müsse. Diese Regierung müsse in gegenseitigem Einvernehmen gebildet werden und auch Machtbefugnisse über Armee und Sicherheitskräfte besitzen. Uneinigkeit herrscht hingegen in der Frage, ob Präsident Assad Teil dieser Regierung sein kann.
Der amerikanische Außenminister John Kerry gab sich in dieser Frage kompromisslos: "Bashar Assad wird nicht Teil dieser Übergangsregierung sein. Das steht außer Frage. Es ist unvorstellbar, dass derjenige Mann, der mit großer Brutalität gegen sein eigenes Volk vorgeht, das Recht hat zu regieren."
Für die syrische Regierung steht ein Ausschluss Assads dagegen nicht zur Debatte. Nur das syrische Volk habe das Recht, über die Legitimität seines Präsidenten zu entscheiden, erklärte Außenminister Muallem. Oppositionsführer Dscharba hingegen schloss eine künftige Rolle für Assad kategorisch aus. Assad habe "Blut an den Händen". Das hätten zuletzt die Fotos von Tausenden von Folteropfern gezeigt, die nach Ansicht von internationalen Experten systematische Folter und Misshandlungen in syrischen Gefängnissen beweisen.
Resignation ist keine Option
Auch der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier verwies in Montreux auf die Folterbilder und nahm sie zum Anlass, die Notwendigkeit einer politischen Lösung hervorzuheben: "Ich glaube, gerade mit Blick auf die Bilder, die wir in den letzten Tagen gesehen haben von gefolterten und getöteten Menschen in Syrien, ist uns Resignation überhaupt nicht erlaubt. Wir sind es den Opfern in Syrien schuldig, dass wir jetzt mit Zähigkeit und mit Entschiedenheit an einem politischen Weg arbeiten, um das Sterben in Syrien zu beenden."
In den 18 Monaten, die seit "Genf 1" vergangen sind, ist die Zahl der Toten in Syrien um fast 100.000 gestiegen, die Zahl der Flüchtlinge nahm um mehr als 1,2 Millionen zu. Angesichts dieser Entwicklung könne man nicht länger warten, mahnte Ahmed Dscharba und fügte hinzu: "Zeit ist Blut".