Uneins gegen Assad
17. Mai 2013Wer kämpft in Syrien wofür? Diese Frage beschäftigt politische Analysten weltweit. Eindeutige Antworten haben sie aber bislang nicht gefunden - und auch nicht finden können. Denn die Namen der wichtigsten Gruppen und Bündnisse sind zwar bekannt. Doch die Kräfteverhältnisse innerhalb dieser Gruppen verändern sich ständig. Sie bringen mal die einen, mal die anderen politischen Führer nach oben - von denen nicht wenige bald wieder gehen. In ideologischen und taktischen Fragen zerstritten, schaffen die Oppositionsführer es immer weniger, sich auf einen gemeinsamen Kurs zu einigen. Derzeit sind sie nicht einmal in der Lage, sich auf eine Teilnahme der für Ende Mai von den USA und Russland ausgerichteten internationalen Syrien-Konferenz zu einigen.
Die mangelnde Einigkeit reiche bis in die Anfänge des Aufstands zurück, erklärt der syrische Politologe Barah Mikail von der in Madrid ansässigen Stiftung für Internationale Beziehungen und Dialog (FRIDE - Fundación para las Relaciones Internacionales y el Diálogo Exterior). "Am Anfang konnte man eine vor allem ideologisch bedingte Spaltung beobachten, durch die sich vor allem säkulare und islamistische Kräfte gegenüberstanden." Dann seien zunehmend strategische Differenzen in den Vordergrund getreten: "Einige Gruppen sprechen sich für eine direkte militärische Intervention aus, während andere sich dagegen aussprechen. Wieder andere wollen eine gemeinsame Armee aller Aufständischen, die ihrer Ansicht nach als einzige Zugang zu den Waffen haben sollte."
Verschiedene oppositionelle Gruppen
Die einflussreichste Gruppe ist die im November 2012 gegründete "Nationale Koalition der Syrischen Revolutions- und Oppositionskräfte". In ihr haben sich so unterschiedliche Gruppen wie die konservative Muslimbruderschaft und die säkularen Koordinierungskomitees, außerdem verschiedene ethnische und religiöse Gruppierungen vereint. Darüber hinaus arbeitet die Nationale Koalition mit der "Freien Syrischen Armee", dem bewaffneten Arm der Opposition, zusammen. Diese setzt sich ihrerseits ebenfalls aus verschiedenen, teils nur lose verbundenen Gruppen zusammen. Oft eint sie kaum mehr als der Name.
Die Spannungen innerhalb der Nationalen Koalition mögen beträchtlich sein. Viel größer aber sind die Interessensgegensätze zwischen den säkularen und gemäßigt islamistischen Gruppen auf der einen und den radikal-islamistischen Kräften auf der anderen Seite. Diese stammen oft aus dem Ausland.
Islamistische Sponsoren
Man müsse darum genau unterscheiden, erklärt Peter Harling, Syrien-Experte des Think-Tanks "International Crisis Group". Es gebe nämlich auch syrische Oppositionelle, die unter dem Banner des Islamismus anträten. Das täten sie aber nicht selten aus ganz pragmatischen Gründen. Weil einerseits das Assad-Regime mit immer brutaleren Mitteln auf den Aufstand reagiert habe und andererseits die erhoffte militärische Unterstützung aus dem Westen ausgeblieben ist, hätten sich seine Gegner gezwungen gesehen, anderswo Unterstützung zu suchen. "Darum haben sie sich in Richtung der bewaffneten islamischen Kräfte bewegt. Denn diese erhalten von ausländischen islamischen Netzwerken größere Unterstützung, vor allem aus der Golfregion." Die Zusammenarbeit mit diesen Sponsoren bedeute allerdings nicht zwangsläufig, dass die syrischen Widerstandskämpfer sich die ultrakonservative religiöse Weltanschauung ihrer Sponsoren auch zu eigen machten. "Diese Leute befinden sich im Kampf. Sie brauchen Waffen und Munition. Das entsprechende Geld dafür kommt aus den Golfstaaten, von islamischen Netzwerken, die sich um Moscheen herum organisieren."
Ausländische Terroristen
Von ganz anderer Art sind die aus dem Ausland eingereisten islamistischen Kämpfer. Sie treten aus Überzeugung für einen extremistischen Islam ein. Deren bekannteste Gruppe ist die "Al-Nusra-Front". Sie hatte im April dieses Jahres bekanntgegeben, mit der Terrororganisation Al Kaida im Irak zusammenzuarbeiten.
Die britische Quiliam-Foundation, die zum islamistischen Terrorismus forscht, nimmt an, dass die Al-Nusra-Front rund 5000 feste Mitglieder zählt, weitere tausend Kämpfer seien lose mit ihr verbunden. Sie alle hätten zum Ziel, zunächst in Syrien und dann auch in den angrenzenden arabischen Ländern ein islamistisches Kalifat zu begründen.
Unter den Syrern, erklärt Barah Mikail, fänden diese radikalen Gruppe allerdings nur wenige Anhänger: Der Großteil der Syrer sei weiterhin religiös gemäßigt. "Die säkulare Haltung dominiert weiterhin."
Zunehmende konfessionelle Gewalt
Angesichts der zunehmenden Gewalt - schreibt die in London erscheinende arabische Tageszeitung Al Hayat - suchten aber immer mehr Syrer Schutz in ihrer jeweiligen Glaubensgemeinschaft. Mehr und mehr müssten die Syrer erleben, dass sie sowohl von den Kräften des Regimes als auch von Oppositionellen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Konfession angegriffen und getötet würden. Darum liege es auf der Hand, Schutz bei der eigenen Religionsgemeinschaft zu suchen. Die Folge sei, dass sich das Denken in konfessionellen Kategorien ausbreite. "Dieses Sektierertum lässt sich nicht länger ignorieren. Ob es zuerst von den Truppen des Assad-Regimes ins Spiel gebracht wurde oder aufgrund schlimmer Erfahrungen aus der Vergangenheit eine übertriebene Macht entfaltete: Auf jeden Fall zahlen die Menschen den religiösen Hass nun mit ihrem Leben."