Sörgel: "Irgendwann kommt Doping raus"
13. Dezember 2017DW: Herr Sörgel, wie kommt es, dass immer wieder die Krankheit Asthma bei Leistungssportlern wie den Rad-Profis angeführt werden?
Fritz Sörgel: Das Asthma bietet sich halt an. Weil Medikamente, die bei Asthma eingesetzt werden und die bei dieser Erkrankung auch vernünftig sind, eben auch andere Qualitäten haben, die für Hochleistungssportler wichtig sind. Wie das Thema Asthma und Hochleistungssport zusammenpassen, wird nie so richtig zu trennen sein. Es ist vor allem diagnostisch sehr schwer festzustellen, ob ein Sportler nur vortäuscht, Asthma zu haben.
Ist die Erklärung von Christopher Froome glaubwürdig, dass er auf Anraten seines Mannschaftsarztes die Dosis erhöhen sollte, weil seine Beschwerden sich vergrößert hätten?
Was an der Sache - in Anführungszeichen - stinkt, ist doch, dass das Team Sky über Jahre sehr intensive Medienarbeit gemacht hat und sich immer wieder als absolut professionelles Team präsentiert hat. Wenn sie sagen: 'Wir haben das im Griff', kann man das jetzt natürlich auch ironisch sehen. Alles ist hoch professionell, und plötzlich sind da Amateure am Werk, die die Sportler betreuen? Sehr überraschend.
Was wäre ein glaubwürdiger Weg für Froome gewesen?
Das hätte man doch einfacher lösen können. Nehmen wir mal an, Froome hat Asthma und die Fachwelt weiß davon, dann gehe ich erst einmal ganz normal davon aus, dass sich das Asthma auch verschlechtern kann. Und dann ist es auch in der Medizin am Anfang ganz normal, dass man die Dosis eines Medikaments erhöht. Der Grenzwert ist ja eigentlich schon für schwierigere Fälle vorgesehen, aber gut. Aber er hätte das ja nur beantragen, anmelden und sagen müssen, dass er die neue Dosierung therapeutisch benötigt. Das hätte er doch sofort bekommen.
Sie glauben der Erklärung des Herrn Froome also nicht?
Nein, gar nicht. Aber man wird natürlich Gutachter finden, die sagen, dass das noch okay ist. Deshalb, weil der Grenzwert leider nicht so abgesichert ist, wie man sich das wünschen würde. Grenzwerte sind immer umstritten und sie sind immer auch politische Werte. Ob im Umweltschutz oder in der Medizin. Man sitzt in Kommissionen am Tisch und man einigt sich auf einen Wert. Aber der Wert 2000 [Nanogramm pro Milliliter - Anm. der Redaktion] ist in diesem Fall schon sehr hoch. Doch es wird auch da noch Leute geben, die ein Argument finden, warum dieser hohe Wert noch möglich ist. Aber: Es gibt nun einmal einen Grenzwert, an dem führt auch nichts vorbei. Und so wird Herr Froome wohl nur eine Sperre von einem Jahr bekommen.
Sie scheinen nicht zu glauben, dass das Dopingthema im Radsport irgendwann mal ad acta gelegt werden kann?
Nein, und ich glaube auch nicht an die Sauberkeit des Teams Sky. Ich kann natürlich nicht für jeden einzelnen Fahrer sprechen. Aber das, was Sky vorgibt, dass ein Dopingkampf durchgeführt wird, der 'state of the art' ist, das glaube ich nicht. Vielmehr geht man dort mit Substanzen um, die problematisch sind. Und man geht an Grenzwerte heran. Bei Bradley Wiggins gab es ja auch bereits Ungereimtheiten. Nur irgendwann kommen diese Sachen dann doch heraus. Das alles wirft einfach ein schlechtes Licht auf das Team Sky.
Fritz Sörgel, geboren 1950, ist einer von Deutschlands führenden Doping-Experten. Er ist Pharmakologe und leitet das Institut für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung (IBMP) in Nürnberg. Bis 2007 war Mitglied der Anti-Doping-Kommission des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR).
Das Interview führte Jörg Strohschein.