Südkoreanischer Ex-Präsident Lee verurteilt
5. Oktober 2018Südkoreas ehemaliger Präsident Lee Myung Bak ist am Freitag zu 15 Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe von umgerechnet zehn Millionen Euro verurteilt worden. Das Bezirksgericht Seoul sah es unter anderem als erwiesen an, dass der 76-jährige Politiker während seiner Amtszeit von 2008 bis 2013 Bestechungsgelder angenommen und Firmengelder von über 20 Millionen Euro unterschlagen hat. Der Verurteilte selbst blieb der Verkündung fern - aus Protest gegen die Entscheidung des Gerichts, eine Fernsehübertragung der Verhandlung zu erlauben.
Lee reiht sich damit in eine ganze Reihe an konservativen Spitzenpolitikern ein, die seit Amtsantritt des linksgerichteten Präsident Moon Jae In mit Gefängnisstrafen belegt wurden. Ebenfalls hinter Gitter sitzt derzeit Park Geun Hye, die die Nachfolge-Regierung von Lee Myung Bak geleitet hat. Park Geun Hye muss gar über 30 Jahre Haft absitzen - ebenfalls wegen Korruption und Bestechung. Auch der Geheimdienstchef sowie der nationale Polizeichef während Parks Amtszeit wurden in jüngster Zeit verhaftet. Sie hatten eine großangelegte Cyber-Kampagne geleitet, um mithilfe Tausender Fake-Profile auf sozialen Netzwerken die Präsidentschaftswahlen zu beeinflussen. Parks damaliger Generalstabschef hat es ebenfalls heute getroffen: Er wurde zu anderthalb Jahren Haft verurteilt, nachdem er Wirtschaftslobbyisten unter Druck gesetzt hat, Spendengelder an konservative Organisationen zu zahlen.
Vorwurf der politischen Rache
Die konservativen Parteien sprechen bei der Verhaftungswelle aus ihrer Fraktion wiederholt von politisch motivierten Verfahren der linken Regierungspartei. Auch gegen den früheren Präsidenten Lee Myung Bak wurden die Ermittlungen erst gründlich aufgenommen, seitdem Moon Jae In an der Macht ist. Handelt es sich also um politische Racheakte? "Ich habe erstmal grundsätzliches Vertrauen in den Rechtsstaat Koreas”, sagt Sven Schwersensky, Leiter der Friedrich Ebert-Stiftung in Seoul. Laut dem Ostasienexperten deutet vieles daraufhin, dass die Staatsanwaltschaft während der erzkonservativen Regierungen blockiert wurde. Erst jetzt könne sie ihre Arbeit frei ausüben.
Im südkoreanischen Volksmund wird oft gescherzt, dass die Wahl zum Präsidenten ein direktes Ticket ins Gefängnisist. Tatsächlich wurden seit den ersten demokratischen Wahlen des Landes im Jahr 1988 insgesamt vier Staatschefs zu Gefängnisstrafen verurteilt. Fast immer ging es dabei um Korruption. Laut Transparency International rangiert Südkorea beim Korruptionsindex auf dem 51. Platz hinter Malta, Spanien oder Ruanda. Das hat auch mit der Mentalität aus der Vergangenheit zu tun. "Noch in den 60er Jahren, als Südkorea bitterarm war, gehörte es selbst für Regierungsbeamte zur Notwendigkeit, Bestechungsgelder von Firmen zu fordern. Ihr Gehalt war viel zu gering, um über die Runden zu kommen”, sagt Buchautor Michael Breen, der seit den frühen 80er Jahren in Südkorea lebt.
Zu diesem alten System gehört auch die enge Verflechtung zwischen den großen Firmen-Konglomeraten und der jeweiligen Regierung, bei der oft eine Hand die andere wäscht. Es ist kein Zufall, dass sowohl beim Fall Park Geun Hye als auch beim Fall Lee Myung Bak das größte Unternehmen des Landes, Samsung, Bestechungsgelder in Millionenhöhe gezahlt hat.
Korruptionsbekämpfung ohne nennbaren Erfolg
Die Wirtschaftsbosse können jedoch in Südkorea oft darauf zählen, vom Rechtsstaat mit Samthandschuhen angefasst zu werden. Zwar wurde Samsung-Erbe Lee Jae Yong wegen seiner zentralen Rolle im Korruptionsskandal um Ex-Präsidentin Park Geun Hye in einem Präzedenzfall erstmals verhaftet, jedoch nach nicht einmal einem Jahr wieder freigelassen.
Südkoreas jetziger Präsident Moon Jae In wurde vor allem für sein Versprechen ins Amt gewählt, das korrupte System zwischen Wirtschaft und Politik endgültig zu reformieren. Deutliche Resultate ist er jedoch seinen Wählern bislang schuldig geblieben.
Samsungs De-facto-Chef Lee Jae Yong saß gar Ende September hochoffiziell in Moon Jae Ins Präsidentenmaschine nach Pjöngjang. Beim innerkoreanischen Gipfeltreffen war er Teil der Regierungsdelegation, um im Falle einer weiteren Annäherung mit Nordkorea Wirtschaftsprojekte anzukurbeln. Dabei befindet sich der bekannteste Manager des Landes noch immer auf Bewährung.