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Tabubruch und Sozialdrama

15. Mai 2009

Der Wettbewerb in Cannes hat mit Filmen aus Asien und Großbritannien begonnen. Zur Eröffnung war ein animierter Film zu sehen. Die Urteile der Kritik fielen recht wohlwollend aus.

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Shu Qi (Taiwan), Sharmila Tagore III (Indien), Isabelle Huppert (Frankreich), Lee Chang-Dong (Südkorea), Robin Wright Penn (USA), Nuri Bilge Ceylan (Türkei), (AP Photo/Francois Mori)
Sie muß entscheiden: die Jury in Cannes 2009Bild: AP

Am Anfang stand eine Revolution. Zum ersten Mal in der Festivalgeschichte haben die Internationalen Filmfestspiele mit einem Animationsfilm begonnen, der zudem auch noch in einem neuen 3-D-Verfahren gedreht wurde. Das Publikum an der Croisette musste sich also den amerikanischen Eröffnungsfilm "Up" mit Brille anschauen. Die Geschichte eines alten Mannes, der sich weigert seine Wohnung zu verlassen und in ein Altersheim abgeschoben werden soll, wurde von der deutschen Presse überwiegend positiv aufgenommen, vor allem weil er auf die bekannte allzu oft süßliche Figurenzeichnung verzichtet.

Individuelle Schicksale in China

Die winkende Schauspielerin Zhuo Tan (AP Photo/Lionel Cironneau)
Zhuo Tan aus "Spring Fever"Bild: AP

Danach wurde es bitterernst. Im überwiegend mit französischem Geld produzierten Film "Spring Fever" des chinesischen Regisseurs Lou Ye geht es um eine Dreiecksbeziehung mit starker homosexueller Akzentuierung. Nach Ansicht der Kritik hat Lou Ye damit gleich mehrere Tabus gebrochen: so offen über Homosexualität sei im Kino in China noch nie gesprochen worden. Für den Kritiker der "Süddeutschen Zeitung" war ein anderer Tabubruch aber entscheidender: "Das Besondere dabei ist, dass all diese Figuren auf eine Weise 'Ich' sagen, die für China radikal ist, dass sie ihre Individualität, so verwirrt und hungrig und hoffnungsvoll sie sein mag, vollständig in den Mittelpunkt ihrer Existenz stellen", schreibt Tobias Kniebe in der SZ.

Kierston Wareing vor Publikum in Cannes (AP Photo/Matt Sayles)
Spielt in "Fish Tank" mit: Kierston WareingBild: AP

Soziales Elend in England

Blutig ging es im Film eines anderen asiatischen Regisseurs zu. Park Chan-wook aus Südkorea, auch ein bekannter "Tabubrecher" in Sachen Sexualität und Gewalt, mischt in "Thirst" Elemente des Vampirfilms mit religiöser Thematik. Und die britische Regisseurin Andrea Arnold, vor drei Jahren mit ihrem Debüt ebenfalls in Cannes dabei, zeigt in "Fish Tank", dass sie ihrem Thema treu geblieben ist: soziales Elend in der britischen Gesellschaft zu zeigen, drastisch und realitätsnah. Arnold zeigt ein junges Mädchen, das einen Ausweg aus dem tristen Milieu ihres Elternhauses sucht. Der neue Freund der Mutter weckt zunächst Hoffnung, dass das gelingt. Eine Hoffnung, die sich am Ende allerdings nicht erfüllt.

Nach einem heiteren Auftakt ("Up" lief im Wettbewerb, aber außer Konkurrenz) hinterließen die drei ersten Filme im Rennen um die Goldene Palme einen gemischten Eindruck. Ein Favorit war noch nicht dabei.

Autor: Jochen Kürten

Redaktion: Conny Paul