Taiwan bestätigt Präsenz von US-Ausbildern
28. Oktober 2021Taiwans Staatspräsidentin Tsai Ing-Wen sagte in einem Interview des US-Senders CNN: "Wir haben eine breite Palette an Kooperationen mit den USA, die darauf abzielen, unsere Verteidigungsfähigkeiten zu erhöhen." Auf die Frage, wie viele US-Soldaten in Taiwan im Einsatz seien, antwortete sie: "Nicht so viele, wie die Leute denken". Sie habe "Vertrauen", dass das amerikanische Militär die Insel im Falle eines chinesischen Angriffs verteidigen würde. Die Präsidentin verwies zur Begründung auf die langjährigen Beziehungen Taiwans zu den USA, "der Unterstützung durch das amerikanische Volk, durch den Kongress und die Regierung".
Tsai nannte ihr Land ein regionales "Leuchtfeuer" der Demokratie, das einem riesigen autoritären Nachbarn gegenüberstehe. Zugleich betonte sie, dass die Bedrohung durch Peking "jeden Tag" wachse. Die Präsidentin rief demokratische Partner in der Region auf, die Inselrepublik zu unterstützen. "Wenn autoritäre Regime expansionistische Tendenzen zeigen, sollten sich demokratische Länder zusammentun, um ihnen entgegenzutreten. Taiwan steht an vorderster Front."
Die Anwesenheit von US-Truppen wurde der Nachrichtenagentur AFP und anderen Medien Anfang des Monats von einem Pentagon-Beamten bestätigt. Mit dem CNN-Interview macht nun aber erstmals eine taiwanesische Regierungschefin eine US-Militärpräsenz auf der Insel öffentlich, seit die letzte US-Einheit 1979 abzog, als die Regierung Washington die Volksrepublik diplomatisch anerkannte.
Keine dauerhafte Stationierung
Derweil sagte der taiwanische Verteidigungsminister Chiu Kuo-cheng, die US-amerikanischen und taiwanesischen Truppen unterhielten seit langem Kontakte zueinander. "Wir tauschen Personal aus, und sie (die US-Soldaten) sind hier, um militärisch zusammenzuarbeiten, aber das ist nach meiner Definition etwas anderes als eine Stationierung von Truppen." Bei den Kontakten könne jedes Thema angesprochen werden. Er wies aber auch darauf hin, dass Präsidentin Tsai nicht gesagt habe, dass die US-Soldaten dauerhaft auf Taiwan stationiert seien.
Die USA unterhalten zwar wie viele andere Staaten mit Rücksicht auf die Volksrepublik China keine formalen diplomatischen Beziehungen zu Taiwan. Sie unterstützen die Insel jedoch mit militärischer Ausrüstung und sind deren wichtigster Lieferant von Rüstungsgütern.
US-Präsident Joe Biden hatte in der vergangenen Woche mit der expliziten Zusicherung militärischer Unterstützung Taiwans bei einem möglichen Angriff Chinas für Aufsehen gesorgt. "Ja, wir sind dazu verpflichtet", antwortete Biden bei einem Treffen mit Bürgern in der US-Ostküstenstadt Baltimore auf die Frage, ob das US-Militär Taiwan gegen China verteidigen würde. Das Weiße Haus erklärte daraufhin allerdings, es gebe keinen Kurswechsel in der Taiwan-Politik der USA. Peking warnte davor, sich in chinesische Angelegenheiten einzumischen.
Kurswechsel in der Taiwan-Frage?
Bidens Aussage wurde von einigen Beobachtern als Abweichung von der bisherigen Taiwan-Politik der USA interpretiert. Seit langem verfolgen die Vereinigten Staaten in dieser Frage eine Linie der "strategischen Zweideutigkeit". Dabei sichern die USA zwar Taiwan Unterstützung beim Aufbau von dessen Verteidigungsfähigkeiten zu, versprechen aber nicht ausdrücklich, der Insel im Falle eines Krieges zu Hilfe zu kommen.
Diese Politik soll eine Invasion des Militärs der kommunistisch regierten Volksrepublik verhindern und gleichzeitig Taiwan davon abhalten, formell seine Unabhängigkeit zu erklären, was Peking als rote Linie betrachtet. Peking betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz, die wieder mit dem Festland vereinigt werden soll - notfalls mit militärischer Gewalt. Taiwan hatte sich 1949 nach dem Triumph der Kommunisten im Bürgerkrieg von China abgespalten.
Die Spannungen zwischen Peking und Taipeh haben in den vergangenen Jahren wieder zugenommen. So häuften sich zuletzt Vorfälle, bei denen chinesische Kampfjets in den taiwanischen Luftverteidigungsraum eindrangen.
Stärkere Mitwirkung bei den Vereinten Nationen?
Die Taiwan-Frage trägt auch zum angespannten Verhältnis zwischen Peking und Washington bei. Am Dienstag hatte US-Außenminister Antony Blinken eine stärkere Beteiligung Taiwans im UN-System gefordert. Peking wies dies am Tag danach energisch zurück. Taiwan habe "kein Recht, den Vereinten Nationen beizutreten", sagte ein Sprecher des Büros der Pekinger Regierung für Taiwan-Angelegenheiten. Die Vereinten Nationen bestünden aus souveränen Staaten, Taiwan sei aber "ein Teil Chinas", sagte der Sprecher. Taiwan hatte 1971 seinen Sitz bei den Vereinten Nationen zugunsten der Volksrepublik China verloren.
Die taiwanische Präsidentin ist jedoch trotz der Spannungen zu einem Treffen mit dem chinesischen Staatschef Xi Jinping bereit. "Wir können uns zusammensetzen und über unsere Differenzen sprechen und versuchen, Vereinbarungen zu treffen, so dass wir in der Lage sind, friedlich zu koexistieren", sagte Tsai in dem CNN-Interview.
kle/ehl (rtr, afp, dpa)