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Taizé-Gründer Frère Roger ermordet

17. August 2005

Frère Roger Schutz, Gründer der ökumenischen Gemeinschaft von Taizé, ist am Dienstag (16.8.05) beim Abendgebet erstochen worden. Zu dem charismatischen Theologen fühlten sich insbesondere junge Christen hingezogen.

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Frère RogerBild: dpa


Die Kirche von Taizé war voll besetzt. Augenzeugen hörten gegen 21 Uhr einen gellenden Frauenschrei. Eine offenbar geistig gestörte Person versetzte Frère Roger drei Messerstiche in den Rücken. 3000 Menschen waren Zeugen. Während einige Brüder Roger Schutz aus der Kirche trugen, ging die Andacht weiter.

20 Minuten später gab ein Bruder den Tod des Gründers der Gemeinschaft bekannt. Anschließend mussten viele Menschen von Ärzten behandelt werden, weil sie unter Schock standen. Gegen Mitternacht läuteten in Taizé erneut die Glocken für ein spontanes Totengebet. Nach Informationen der Nachrichtenagentur AFP verhört die Polizei derzeit eine 36-jährige Rumänin als mutmaßliche Täterin.

Große Persönlichkeit

Panoramabild: Frere Roger, der Gründer von Taize ist getötet worden
Bild: AP

Nach vierjährigem Theologiestudium in Lausanne und Straßburg hatte sich der gebürtige Schweizer Roger Louis Schutz-Marsauche (so sein bürgerlicher Name) 1940 in Taizé niedergelassen; einem kleinen südburgundischen Dorf in der Nähe von Cluny. Dort entwickelte der Calvinist und reformierte Theologe ein neues Modell des Zusammenlebens von Menschen unterschiedlicher Konfessionen.

1944 gründete er mit Studienfreunden die Gemeinschaft, die sich der Aussöhnung der Kirchen, der europäischen Verständigung und einem einfachen Leben verschrieb. 1949 legten die ersten sieben Brüder Gelübde ab. Sie versprachen Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam. Heute gehören gut 100 Brüder der Gemeinschaft an, mehr als ein Drittel von ihnen sind katholisch. Die Brüder von Taizé gründeten Niederlassungen in zahlreichen Elendsvierteln der Südhalbkugel. Der Orden ist die erste ökumenische Gemeinschaft der Kirchengeschichte. Die Brüder des französischen Klosters Taizé verteilen seit längerem gleichzeitig das evangelische Abendmahl und die katholische Kommunion während der Gebetszeiten.

Wechselseitige Versöhnungsgesten

Mit seiner charismatischen Ausstrahlung war Frère Roger eine der großen religiösen Persönlichkeiten der Gegenwart. Immer wieder rief er zur Versöhnung der getrennten Kirchen auf. Wie wenige andere hat er sein Leben der Ökumene verschrieben. Für sein Werk erhielt Frère Roger zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem den "Templeton-Preis", der als eine Art "Nobelpreis der Religionen" gilt, den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, den Internationalen Karlspreis der Stadt Aachen und den Unesco-Preis für Friedenserziehung.

Er setzte besonders auf junge Christen. Jährlich pilgern Hunderttausende von jungen Leuten aus West- und auch Osteuropa nach Taizé. Jeweils zum Jahreswechsel kommen auch Zehntausende jüngerer Menschen zu "Europäischen Taizétreffen" in einer jeweils anderen Stadt des Kontinents zusammen.

Fast jedes Jahr wurde Frère Roger von Papst Johannes Paul II., den er bereits aus dessen Zeit als Erzbischof von Krakau kannte, in Privataudienz empfangen. Der damalige Kardinaldekan Joseph Ratzinger, den das Konklave kurz darauf zum Papst Benedikt XVI. wählte, reichte dem Protestanten im April 2005 bei der Beisetzungsfeier für Johannes Paul II. die Kommunion. Eine nach streng katholischer Lehre undenkbare Geste, die viele innehalten ließ. Und die weltweit Aufsehen erregte.

Schatten über Weltjugendtag 2005

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, äußerte sich bestürzt über die Tat. "Ein Mann, der sein Leben der Botschaft Jesu von der Versöhnung aller Menschen und des Friedens besonders auch zwischen den Kirchen, Konfessionen und Religionen widmete, hat ein Schicksal erlitten, das uns an das gewaltsame Geschick Jesu und anderer Zeugen für ein gewaltfreies Leben wie Martin Luther King und Dag Hammerskjöld erinnert", so Lehmann.

Auch der Generalsekretär des Weltjugendtages, Heiner Koch, zeigte sich entsetzt. "Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Weltjugendtages beten für diese große Persönlichkeit", erklärte Prälät Koch in Köln. "Frére Roger ist der katholischen Kirche immer tief verbunden gewesen."

Gelassenheit

Es gehörte zur Größe von Frère Roger, dass er über Ungerechtigkeit und Ökumene mit dem gleichen Ernst, der gleichen Verständlichkeit reden konnte wie über Gott, über Glaubenszweifel und Tod. "Der Tod", sagte er vor zwei Jahren, "öffnet einen Durchgang zu einem Leben, in dem Gott uns für immer in sich aufnimmt". (arn)