Tash Sultana – Die Kunst der Wiederholung
19. August 2017Vor einem Jahr löste die gerade mal 22-jährige Australierin Tash Sultana einen Hype in den sozialen Netzwerken aus. In ihren eigenen vier Wänden nahm sie sich beim Musizieren auf. Ihre "Live Bedroom Recording"-Videos gingen über Nacht viral. Heute steht sie auf internationalen Konzertbühnen.
So auch bei ihrem Auftritt im Rahmen der c/o pop in Köln. Auf der Bühne steht ein Haufen von Instrumenten - mehrere Gitarren, ein Bass, Mandoline, Keyboard, Trompete. Tash Sultana tritt alleine vor ihr Publikum. Die Instrumente wird sie alle selbst spielen und die Rolle einer ganzen Band übernehmen. Aber wie? Hier kommt die Technik ins Spiel.
Denn neben den Instrumenten ist für Sultanas Performance ein Element unerlässlich: die Loopstation. Unter Looping versteht man in der Musik kurze Klangsequenzen, die aufgezeichnet werden, um dann beliebig oft in einer Endlosschleife wiederholt zu werden.
Tash Sultana hat sich dieses Prinzip zu eigen gemacht. Ihre musikalische Karriere begann sie als Straßenmusikerin in den Fußgängerzonen von Melbourne. Hier bedienen sich viele der sogenannten "Buskers“, der Musikanten, der Loopstation.
Ein klangliches Konstrukt
Das Prinzip der kleinen Box ist simpel. Sultana nimmt die Gitarre in die Hand, die mit einem Pedal verkabelt ist. Mit dem ersten Tritt aufs Pedal startet sie die Aufnahme und spielt sie ein eingängiges achttaktiges Riff ein. Der zweite Tritt beendet die Aufnahme, und das eben Eingespielte wird unendlich über die Lautsprecher wiederholt. Nun kann sie die Gitarre zur Seite legen und nach Belieben andere Instrumente wie Bass und Drumpads aufnehmen und auf das Basisriff schichten.
So erstellt sie live ihr eigenes, sich immer wiederholendes Playback-Pattern. Ist das ganze Klangkonstrukt erstmal aufgebaut, kann Sultana sich dem Singen und Instrumentalsoli widmen. Schon Ed Sheeran konnte mit diesem One-Man-Band-Prinzip ganze Hallen füllen.
Looping muss nicht langweilig sein
Das Konzept der ewigen Wiederholung scheint in der Musik zu funktionieren. Aber warum? Ist die Endlosschleife nicht per Definition eintönig und abstumpfend? Schon Adorno kritisierte die Wiederholung in der Jazzmusik, bezeichnete sie sogar als geisttötend.
"Viele Leute finden zum Beispiel, dass Techno mit seinen elektronisch generierten Wiederholungen furchtbar ist", erklärt Tilman Baumgärtel, Autor von "Schleifen: Zur Geschichte und Ästhetik des Loops". Man könne sich von diesem Gefühl aber auch freimachen, dazu tanzen, sich darin verlieren und sich inspirieren lassen.
Überzeugende Performance
Anders als im Techno tritt die Endlosschleife bei Tash Sultanas Musik in den Hintergrund. Was zählt ist, was man aus den Wiederholungen macht. Und da hat die Australierin definitiv den Bogen raus, wie sie ihr Publikum mitreißen kann.
Die Multiinstrumentalistin liefert in ihren Songs eine spielerische Mischung aus Rock, Folk und Reggae, fulminante Gitarrensoli inklusive. Sie jammt mit sich selbst, schließlich beherrscht zehn Instrumente, die sie sich alle selbst beigebracht hat. Und warum nicht einfach mal Beatboxing mit Panflöte kombinieren?! Singen kann Tash Sultana übrigens auch. Und wie! Mal haucht sie leise und gefühlvoll ins Mikrofon, mal klingt sie schrill und markerschütternd.
Bei so viel Power auf der Bühne ist es kein Wunder, dass das Publikum ihr zu Füßen liegt. Da hatten die Macher des c/o pop-Festivals mal wieder den richtigen Riecher für ein Naturtalent, als sie die Australierin nach Köln holten. Von dieser Dame wird man bestimmt noch viel hören.