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Technischer Graben durchzieht die NATO

Klaus Dahmann3. April 2004

Während in Brüssel die Erweiterung der NATO gefeiert wird, wachsen bei Militär-Experten Bedenken über die Aufnahme der neuen Mitglieder. Sie seien militärisch nicht bündnisfähig, lautet die Kritik.

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High-Tech ist beim Militär unentbehrlichBild: AP
AWACS in der Türkei
Einsatz eines NATO-AWACS-Flugzeugs in der TürkeiBild: AP

Die größte Erweiterung in der Geschichte der NATO ist vollzogen. Seit Montag (29.3.) gehören die drei baltischen Staaten Estland, Lettland, Litauen sowie die Slowakei, Slowenien, Rumänien und Bulgarien dem Bündnis als Vollmitglieder an. Politiker aus diesen Ländern feiern die Erweiterung an diesem Freitag (2.4.2004) in Brüssel.

Für die Militärs könnte die Vergrößerung der Allianz derweil mehr Sorgen als Vorteile bringen. Andreas Heinemann-Grüder, Osteuropa-Experte beim Internationalen Konversions-Zentrum in Bonn, schätzt den militärischen Beitrag, den die neuen Staaten leisten, nicht sehr hoch ein. Er sagt die neuen NATO-Mitglieder übernähmen eher Dienstleistungs-Funktionen. "Sie stellen auf der einen Seite Truppen für Operationen außerhalb des NATO-Verteidigungs-Gebietes - also im wesentlichen Afghanistan und Irak." Vor allem würden sie aber als "festverankerte Flugzeugträger" dienen, sagt der Experte. Insgesamt falle ihr Beitrag jedoch bescheiden aus.

In desolatem Zustand

Trotz der Hilfsprogramme, mit denen das Bündnis diese Länder auf den Beitritt vorbereitet hat, seien nur 10 bis 15 Prozent der Armeen im Rahmen von NATO-Operationen einsetzbar, sagt Heinemann-Grüder. Der Rest der Streitkräfte sei in einem desolaten Zustand. Ein Großteil der militärischen Ausrüstung der neuen NATO-Länder sei sowjetischer Herkunft oder Lizenz-Produktion von der Sowjetunion. "Es ist extrem teuer, diese Großwaffen-Systeme - insbesondere Panzer, Flugzeuge, Hubschrauber und gepanzerte Fahrzeuge - zu ersetzen", so Heinemann-Grüder. Die alten NATO-Mitglieder würden deshalb teilweise nicht mehr benötigte Waffen einfach an die Osteuropäer verschenken oder billig verkaufen. "Was hierzulande verschrottet werden müsste, wird zum Teil zumindest noch über eine längere Zeit - 10 bis 15 Jahre - in Osteuropa genutzt."

Den meisten Ländern gehe es in erster Linie darum, über die NATO-Mitgliedschaft Schutz vor Angriffen durch Dritt-Staaten zu erhalten. Denn laut Artikel fünf des Bündnis-Vertrags kann ein Mitglied in diesem Fall die anderen um militärischen Beistand bitten. Sehr wahrscheinlich, würden die Neu-Mitglieder gleich nach dem Beitritt ihren Verteidigungs-Haushalt herunterschrauben, schätzt der Experte aus dem Bonner Konversions-Zentrum. "Das heißt, in dem Moment, wo sie NATO-Mitglied sind, werden ihre eigenen Anstrengungen enorm nachlassen, weil sie die Mitgliedschaft eigentlich als billige Sicherheits-Garantie ansehen."

Neue Märkte?

Vertreter der Waffen-Industrie in den alten NATO-Staaten hoffen dennoch auf neue Absatz-Märkte. Diese Rechnung ging freilich bereits in der Vergangenheit nicht immer auf. In schlechter Erinnerung ist vor allem Ungarn geblieben, das bei der vorangegangenen Erweiterungsrunde aufgenommen wurde. Anstatt in den USA oder europäischen Bündnis-Staaten einzukaufen, orderte die ungarische Regierung Hubschrauber in Schweden - was zu einem mittleren Eklat führte.

Drei NATO-Anwärter mussten bei dieser Erweiterungsrunde noch außen vor bleiben: Mazedonien, Albanien und Kroatien. Wann sie an die Reihe kommen, ist unklar. Andreas Heinemann-Grüder sieht die nächste Erweiterung noch nicht in den kommenden vier oder fünf Jahren. Eher sehe er in Brüssel die Tendenz, die Vorbereitung dieser Länder auf die Mitgliedschaft in der NATO mit den Beitrittsbemühungen zur Europäischen Union zu koppeln.