EU-Finanzkrise
29. April 2010Es sieht so aus, als ob Berlin jetzt einen Zahn zulegt, damit Griechenland schnell eine Finanzspritze bekommt. Nicht ohne Grund, denn das Land steht kurz vor dem Staatsbankrott und ist dabei, weitere europäische Staaten mit in den Abwärtsstrudel zu ziehen. Ein Krisentreffen folgt auf das nächste. Vertreter der großen Finanz- und Wirtschaftsorganisationen, wie EZB, OECD, IWF und WTO geben sich bei Bundeskanzlerin Angela Merkel die Klinke in die Hand. Das Bundesfinanzministerium arbeitet mit Hochdruck an daran, ein Gesetz vorzubereiten, das einen Kredit der KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) ermöglicht. Das soll schon in acht Tagen durch den Gesetzgebungsprozess gebracht werden.
Finanzexperten ist klar: Das Hilfspaket für Griechenland hätte am besten schon gestern oder vor einer Woche fertig geschnürt sein sollen. Dann wäre die Kreditwürdigkeit des Landes nicht so abgesackt, und die großen Rating-Agenturen hätten die Anleihen des Landes nicht zu Ramsch erklärt. "Jeder Tag, den wir verlieren, verschlimmert die Situation. Nicht nur in Griechenland und Europa, sondern auch weiter entfernt", unterstreicht der Chef des Internationalen Währungsfonds Dominique Strauss-Kahn.
Entschlossenes Zögern
Wer will da die Hände in den Schoß legen? Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht. Sie sagt mit Nachdruck, "Deutschland wird helfen", schickt aber hinterher: "Sobald - und ich unterstreiche sobald - die Voraussetzungen dazu gegeben sind."
Das klingt verhalten, sehr im Kontrast zu aller hektischen Betriebsamkeit, die plötzlich in Berlin wegen der Finanzhilfen entstanden ist. Und es passt zur deutschen Politik der vergangenen Wochen, die sich eher bedächtig, wenn nicht sogar unwillig mit dem Thema beschäftigt hat. "Keine Blankoschecks für Griechenland! - rief Außenminister Guido Westerwelle erst am vergangenen Wochenende auf dem FDP Parteitag. Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hatte in den vergangenen Wochen wiederholt klar gemacht, wie unsicher es sei, dass Griechenland deutsches Geld bekomme.
Die Akteure in der deutschen Politik befinden sich in einer Zwickmühle, was die Finanzhilfen angeht. Einerseits ist Eile geboten, um den Euro zu retten - andererseits ist das Thema äußerst unpopulär. "Die Griechen wollen unser Geld", titelt die Bild-Zeitung in bedrohlich großen Lettern. Mehr als die Hälfte der Bundesbürger, so rechnet eine Umfrage vor, halten nichts davon, nach Athen Geld zu überweisen. Jetzt stehen auch noch wichtige Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen an. Und, nicht zu vergessen: Kürzlich hat der Bundestag einen Haushalt verabschiedet, der Deutschland eine Rekordverschuldung beschert – der Finanzminister muss eigentlich sparen.
Angst vor Reaktionen
Aber vielleicht ist es ja nichts von alledem. Finanzminister Schäuble erklärte in einer Talk-Sendung des ZDF, dass ihm sein griechischer Kollege bisher klar gemacht habe, dass sein Land ohne Finanzhilfen mit der Krise fertig werden könnte und da könne er oder die Kanzlerin nicht einfach das Gegenteil behaupten. "Diejenigen, die öffentliche Ämter innehaben, wie die Mitglieder der Bundesregierung, die müssen sich bei dem was sie sagen auch ein Stück weit überlegen, was das für Reaktionen auf den internationalen Finanzmärkten der Welt hat", sagte Schäuble. Man habe nicht gezögert, da werden "Sündenböcke" gesucht.
Die Auswirkung der deutschen Zurückhaltung hat nach Ansicht von Volkswirten und Finanzexperten die Kosten zur Bewältigung der Krise in die Höhe getrieben. Der finanzpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Gerhard Schick, sagt: "Eine Lösung im Februar oder März wäre billiger gewesen. Die Verantwortung liegt bei der Bundesregierung, dass sie so lange verzögert hat." Die These dahinter ist, dass schon ein positives Wort aus Berlin die Finanzmärkte hätte beruhigen können. Dann hätte sich Griechenland vielleicht tatsächlich noch Geld vom Markt besorgen können und hätte das Hilfsgeld von EU und IWF unter Umständen gar nicht angerührt. Wichtig wäre gewesen, dass es bereit gestanden hätte.
Autor: Heiner Kiesel
Redaktion: Silke Wünsch