Thailand ruft den Ausnahmezustand aus
15. Oktober 2020Trotz der Verhängung des Ausnahmezustands durch die thailändische Regierung haben sich wieder Tausende von Demonstranten in der Hauptstadt Bangkok versammelt. Sie forderten die Freilassung ihrer zuvor festgenommenen Mitstreiter. Viele hielten drei Finger in die Luft, das Symbol der pro-demokratischen Studentenbewegung in Thailand.
Die Protestbewegung hatte in den Online-Medien dazu aufgerufen, sich trotz der erlassenen Notstandsbefugnisse zu treffen. "Kommt mit Kraft heraus - nur moralische Unterstützung von zu Hause aus zu geben, reicht nicht", appellierten sie an ihre Gesinnungsgenossen.
Die thailändische Regierung von Ex-Armeechef Prayut Chan-o-cha hatte zuvor den Ausnahmezustand ausgerufen. Versammlungen von mehr als vier Menschen in der Hauptstadt Bangkok und die Veröffentlichung von Botschaften im Internet, "welche die nationale Sicherheit beeinträchtigen können", wurden damit verboten, wie ein Regierungssprecher mitteilte. Davor hatten erneut tausende Menschen in Bangkok gegen die Regierung demonstriert.
Im Rahmen des Ausnahmezustands würden die "verfassungswidrigen" Proteste untersagt, so der Regierungssprecher. Auch seien die Behörden ermächtigt worden, Kommunikationsgeräte, Daten und Waffen zu beschlagnahmen, wenn der Verdacht bestehe, dass damit zur derzeitigen "Notstandslage" beigetragen werde.
Die Polizei warnte, dass Regierungsgegnern die Festnahme drohe. Seit Beginn der Proteste im Juli wurden bereits zahlreiche Menschen festgenommen und wegen Aufruhrs angeklagt. Zuletzt nahm die Polizei in Bangkok mehr als 20 Menschen fest, darunter den Studenten-Anführer Parit Chiwarak, den Menschenrechtsanwalt Anon Numpa und die bekannte Aktivistin Panusaya Sithijirawattanakul. Auf einem Facebook-Video war zu sehen, wie Unterstützer Panusaya während ihrer Festnahme zuriefen: "Lang lebe das Volk!".
Von Hongkong inspiriert
Die von jungen Menschen angeführte und pro-demokratische Protestbewegung fordert den Rücktritt der Regierung und eine offene Debatte über die Rolle der Monarchie in Thailand. Die teils von der Hongkonger Demokratiebewegung inspirierten Demonstranten verlangen auch die Abschaffung eines Gesetzes, das drakonische Strafen für Kritik am Königshaus vorsieht.
Am Mittwoch waren erneut tausende Demonstranten rund um das Demokratie-Denkmal in Bangkok zusammengekommen, bevor dort am Nachmittag eine Wagenkolonne mit König Maha Vajiralongkorn und seiner Familie erwartet wurde. Die Polizei sperrte die meisten Protestierenden von der Route der royalen Kolonne aus.
Protest gegen Königshaus
Dutzende Demonstranten waren allerdings noch anwesend, als die Kolonne vorbeifuhr. Zu sehen war, wie Königin Suthida aus dem Fenster ihrer Limousine blickte, während Demonstranten ihr drei Finger entgegenstreckten - die Geste ist der Filmreihe "Die Tribute von Panem" entlehnt und Ausdruck des pro-demokratischen Protests.
Solche offenen Bekundungen des Protests gegen das Königshaus sind in Thailand völlig neu. Der Monarch ist die mächtigste Figur in dem südostasiatischen Land und wird von der Armee und Milliardärsfamilien unterstützt.
Die Demonstranten, welche "die royale Wagenkolonne behindert" hätten, sollten strafrechtlich verfolgt werden, kündigte die Regierung an. Auch wer die Monarchie "diffamiert" habe, solle ohne Ausnahme verfolgt werden.
Vom Demokratie-Denkmal marschierten Demonstranten zum Amtssitz von Regierungschef Prayut weiter, manche von ihnen campierten dort die ganze Nacht über. Vor dem Regierungssitz kam es zu Handgemengen der Regierungskritiker mit Anhängern der Monarchie. Nach Angaben der Behörden waren während der Proteste am Mittwoch etwa 14.000 Polizisten im Einsatz.
In der jüngeren thailändischen Vergangenheit hat es mehr als ein Dutzend Militärputsche gegeben. Der jüngste Putsch fand 2014 statt. Aus einer von Betrugsvorwürfen überschatteten Parlamentswahl ging dann im vergangenen Jahr der frühere Armeechef Prayut als Sieger hervor.
nob/wa (afp, dpa)