Thüringer SPD stimmt für Rot-Rot-Grün
4. November 2014Die SPD-Mitglieder in Thüringen haben sich für rot-rot-grüne Koalitionsverhandlungen ausgesprochen, die zur Wahl des bundesweit ersten Ministerpräsidenten von der Linkspartei führen könnten. In einer Mitgliederbefragung habe die Parteibasis mit 69,93 Prozent für die Aufnahme der Verhandlungen gestimmt, teilte der SPD-Landesvorstand in Erfurt mit. Beteiligt hätten sich 77,5 Prozent der rund 4300 Parteimitglieder.
Die thüringischen Genossen waren in den vergangenen zwei Wochen aufgerufen, über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit Linken und Grünen abzustimmen. Ihr Votum entscheidet darüber, ob in Thüringen 25 Jahre nach dem Mauerfall die Linke die Chance hat, ihren Spitzenkandidaten Bodo Ramelow als ersten Ministerpräsidenten der Linkspartei ins Amt zu bringen.
Auch Befragungen bei Linken und Grünen
Die Vorsitzende der Thüringer Linken, Susanne Hennig-Wellsow, begrüßte das klare Votum der SPD-Mitglieder. "Der D-Zug zum Politikwechsel fährt", erklärte sie in Erfurt. Kritik am Ausgang des SPD-Votums kam dagegen von der CDU. Die Parteichefin, Bundeskanzlerin Angela Merkel, erklärte, als "stolze linke Volkspartei" in eine Regierung unter Führung der Linkspartei zu gehen, sei "eine für den aufstrebenden Freistaat Thüringen sowieso schlechte Nachricht, aber für die SPD eine gerade auch staatspolitisch bedrückende Lage".
Mehr als sieben Wochen nach der Landtagswahl in Thüringen und wochenlangen Sondierungen können nun die Koalitionsverhandlungen starten. Zum Koalitionsvertrag wollen sowohl Linke als auch Grüne dann noch ihre Mitglieder befragen. Erst Anfang Dezember soll der neue Ministerpräsident im Landtag gewählt werden.
Die SPD war bei der Landtagswahl im September auf gut zwölf Prozent abgestürzt. Sie wurde weit hinter CDU und Linkspartei nur drittstärkste Kraft. Bisher hatte sie gemeinsam mit der CDU regiert.
Debatte um Gauck-Äußerungen dauert an
Kritik äußerte der neue SPD-Landeschef Andreas Bausewein am Zeitpunkt der Äußerungen von Bundespräsident Joachim Gauck zur Regierungsfähigkeit der Linkspartei. "Sich mitten in einer Mitgliederbefragung so zu äußern, das hat mich irritiert", sagte Bausewein im Bayerischen Rundfunk. Nach seiner Ansicht dürfe nicht verkannt werden, dass die Linke seit über 20 Jahren Landräte, Bürgermeister und Oberbürgermeister stelle. Außerdem sei sie in den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten auch an mehreren Landesregierungen beteiligt gewesen - allerdings als Juniorpartner.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion verteidigte ausdrücklich die umstrittenen Äußerungen Gaucks. "Die Union findet das in der Sache angemessen und richtig", sagte der Parlamentarische Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer in Berlin. Die CSU-Landesgruppenvorsitzende und Fraktionsvizechefin Gerda Hasselfeldt sagte: "Auch einem Bundespräsidenten muss es möglich sein, seine Meinung zu sagen", erst recht vor dem Hintergrund seiner eigenen Erfahrungen in der DDR. "Mir fällt es auch schwer zu akzeptieren, dass in Thüringen die SED-Erben den Ministerpräsidenten stellen könnten", sagte Hasselfeldt. Gauck hatte die Frage gestellt, ob sich die Linke schon weit genug von der Linie der SED entfernt habe.
Auch die Evangelische Kirche stellte sich in der Debatte hinter Gauck. "Seien wir froh, dass wir einen meinungsfreudigen Bundespräsidenten haben", sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, der "Rheinischen Post".
sti/uh (dpa, afp, rtr)