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GesellschaftTürkei

Hotel wird Grab von 35 Kindern aus Nordzypern

25. Februar 2023

Bei dem schweren Beben in der Türkei starben in einem Hotel in Adiyaman auch 35 Kinder aus Nordzypern. Ihre Familien fordern nun Aufklärung: Warum das Gebäude zusammenfiel und die Retter so spät kamen?

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Das Isias-Hotel, bevor es durch das Erdbeben eingestürzt ist
Bild des Isias-Hotels in Adiyaman vor dem ErdbebenBild: ANKA

Enver Karakaya kann seine Trauer noch immer kaum in Worte fassen. Seine 14-jährige Tochter übernachtete vom 5. auf den 6. Februar in einem Hotel im türkischen Adiyaman. "Wir wurden wahnsinnig, als wir auf Twitter gesehen haben, dass das Hotel eingestürzt ist. Wir haben einen Flug gebucht, aber alle Flüge wurden storniert", berichtet er der DW. Es sei die nordzyprische Regierung gewesen, die für die Familien und die Rettungskräfte einen Spezialflug organisiert habe. "Erst am Abend kamen wir vor Ort an. Wir haben das eingestürzte Gebäude gesehen. Aber es liefen keinerlei Rettungsarbeiten."

Karakayas Tochter Selin war Teil einer Kindervolleyballmannschaft aus dem nordzyprischen Famagusta und wollte eigentlich in der Türkei an einem Turnier teilnehmen. Sie und alle ihre Teammitglieder kamen ums Leben, als das Isaias-Hotel in Adiyaman am 6. Februar einstürzte.

Das Hotel habe auf den Fotos einen "guten Eindruck" gemacht, weswegen es von den Eltern ausgesucht worden war. "Wir haben gedacht, dass wir unsere Kinder in sichere Hände geben", berichtet Enver Karakaya. Dann habe sich aber herausgestellt, dass ein eigentlich unbewohnbares Gebäude etwas aufpoliert und zu einem Hotel gemacht worden sei. "Wir haben unsere Kinder ins Grab geschickt", sagt Karakaya unter Tränen.

Selin Karakaya, verstorbene junge Volleyballspielerin aus Nordzypern
Die 14-jährige Selin Karakaya ist beim Einsturz des Hotels ums Leben gekommenBild: privat

Nordzyprer sind empört

Nicht nur die Eltern der getöteten Kinder sind empört über die Vorkommnisse. "Ganz Zypern steht unter Schock, in Famagusta herrscht eine Atmosphäre der Trauer", sagt Hasan Esendagli, Präsident der Zyperntürkischen Anwaltskammer, im Gespräch mit der DW: "Jeder ist erschüttert von den Nachrichten. Im Land gibt es keinen einzigen Menschen, der sich von den Verlusten nicht direkt betroffen fühlt."

Auch das Parlament des Landes beschäftigt sich mit dem Tod der nordzyprischen Kinder: Es wurde sogar eine Untersuchungskommission eingerichtet. Die Abgeordnete Dogus Derya von der Republikanisch-Türkischen Partei (CTP), erklärte der DW, dass das Parlament alles dafür tun werde, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.

Schlechtes Baumaterial

Inzwischen mehren sich die Beweise dafür, dass beim Bau des Hotels Vorschriften nicht eingehalten wurden. Ein Untersuchungsbericht der Ostmediterranen Universität in Famagusta, der der DW vorliegt, spricht etwa davon, dass in den Beton Flusskiesel und Sand vermischt worden seien, um Kosten zu sparen. "Die vor Ort gefundenen Trümmer wurden sorgfältig analysiert. Es wurde festgestellt, dass die Betonqualität nachweislich niedrig war", heißt es in dem Bericht. Das Gebäude war vor mehr als 30 Jahren als Wohnhaus gebaut worden, später aber zu einem Gewerbegebäude umgewandelt und im Laufe der Zeit um zwei Etagen erweitert worden. Diese Art der Gebäudeerweiterung ist eine übliche Praxis in der türkischen Baubranche.

Der Bericht kommt zu dem Schluss: "Das Gebäude, dessen Basis und Säulen eigentlich für fünf Etagen entworfen wurde, wurde nicht auf die richtige Art und Weise gebaut. Die Etagenerweiterung war ein gravierender Fehler. Das Gebäude wäre auch bei Erdbeben geringerer Stärke eingestürzt".

Zwei zusammengeschnittene Bilder von Trümmern aus dem Expertenbericht der Ostmediterranen Universität.
Bilder aus dem Untersuchungsbericht: Beim Bau des Hotels wurden minderwertige Baumaterialien verwendetBild: Dogu Akdeniz Universität

Inzwischen wird gegen das Hotelmanagement ermittelt. Drei Hotelbetreiber wurden mittlerweile verhaftet. Die Bozkurt-Familie, der alle drei verhafteten Personen angehören, ist eigentlich dafür bekannt, gute Beziehungen zur türkischen Regierung zu pflegen. Einer der Verhafteten, Mehmet Fatih Bozkurt, wurde 2014 als AKP-Politiker in den Gemeinderat in Adiyaman gewählt. Insgesamt haben die türkischen Behörden im Zusammenhang mit dem Erdbeben bislang 131 Menschen verhaftet; Hauptgrund: Pfusch am Bau.

"Es werden Sandburgen gebaut"

Die nordzyprische Abgeordnete Derya macht für das Erdbeben den türkischen Staat verantwortlich. Diese habe nichts aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt. "Nach dem großen Erdbeben von 1999 in der Türkei wurden einige Bauunternehmer zu Sündenböcken gemacht und verurteilt. Dass man nun wieder so verfährt, finden wir nicht ausreichend. Unser Kampf gilt der politischen Ordnung, die erlaubt, dass Gebäude wie Sandburgen gebaut werden und einstürzen", so Derya.

Zypern ist eine de facto geteilte Insel im Mittelmeer. Die "Türkische Republik Nordzypern", oder kurz Nordzypern, wird auf der Welt nur von der Türkei anerkannt. Nordzypern besitzt jedoch eine eigene politische Verwaltung, eine eigene Regierung und selbständige gesellschaftliche Einrichtungen wie Schulen oder Krankenhäuser. Sie arbeitet eng mit der türkischen Regierung in Ankara zusammen, ist dabei aber nicht vollständig von ihr abhängig.

Der Grenzübergang zwischen Republik Zypern und Türkische Republik Nordzypern. Auf dem Schild steht "Willkommen in der Türkischen Republik Nordzypern"
Geteilte Insel: Der Grenzübergang zwischen der (griechischen) Republik Zypern und der Türkischen Republik NordzypernBild: Behrouz Mehri/AFP/Getty Images

Trauer auch um 30 Reiseführer

Außer den Kindern aus Zypern wurden durch das Beben auch 30 türkische Reiseführer getötet, die sich für einen Bildungsausflug im Hotel aufhielten.

Wegen ihres Todes erstattete auch der türkische Torismusverband TUREB Anzeige gegen das Hotel. TUREB-Geschäftsführer Hakan Ekinlioglu teilte der DW mit, man wolle sich für Gerechtigkeit einsetzen: "Wir sind in engem Kontakt mit den Familien. Sie wollen auch, dass die Verantwortlichen bestraft werden. Unsere Anwälte werden den Prozess intensiv verfolgen."

Mitarbeit: Burak Ünveren