EU-Motoren für iranische Kampfdrohen?
2. November 2020Das österreichische Unternehmen Rotax kann sich über mangelnde Kundeninteresse nicht beklagen. Seine Produkte für Sportfahrzeuge aller Art sind fest am Markt etabliert und verleihen Motorrädern, Karts sowie Leicht- und Ultraleichtflugzeugen in vielen Teilen der Welt den nötigen Schub. Freizeitsportler vieler Länder bewegen sich in Gefährten, für die Rotax die passenden Motoren liefert.
In den vergangenen Wochen geriet das Unternehmen im oberösterreichischen Gunskirchen jedoch in die negativen Schlagzeilen. Die österreichische Tageszeitung "Der Standard" berichtete, einige Rotax-Motorentypen seien an Kunden verkauft worden, die mit Sport nichts zu tun haben.
So baue das türkische Militär die Triebwerke in seine Drohnen ein, die es dann, so der "Standard", auch gegen die Kurdische Arbeiterpartei (PKK) in Anatolien, bei Kämpfen im Nordirak wie auch im libyschen Bürgerkrieg einsetze. Auch der Iran soll die Motoren für den Antrieb der bewaffneten Kampfdrohnen des Modells Schahed-129 nutzen.
"Keine Motoren an Drohnenhersteller"
Auf die daraufhin einsetzenden Proteste innerhalb Österreichs reagierte Rotax umgehend. Die Motoren würden "über ein unabhängiges, weltweites Distributoren-Netzwerk vertrieben", hieß es in einer Stellungnahme des Unternehmens. Es halte sich an alle Gesetze und Vorschriften. "Rotax liefert keine Motoren direkt an Drohnenhersteller und hat auch keine vertraglichen Vereinbarungen mit ihnen."
Auch liefere Rotax keine Flugzeugtriebwerke mehr in "Länder mit unklarer Nutzung", so die Firmensprecherin gegenüber dem "Standard". Diese Regelung entspreche der Vorgabe des Rotax-Mutterkonzerns, des kanadischen Flugzeugherstellers "Bombardier".
Export-Kriterien nicht eindeutig
Rechtliche Probleme sieht das Wiener Wirtschaftsministerium, das für die Exportkontrolle zuständig ist, nicht. Die von der Türkei und dem Iran eingebauten Motoren der Serien 912/914 von Rotax seien sogenannte "Freiwaren", die beim Export keiner behördlichen Genehmigung bedurft hätten. Das berichtet das österreichische Fachmagazin "Militär aktuell".
Die Rotax-Motoren würden weder speziell für militärische Zwecke gebaut, noch träfen auf sie die Dual-Use-Kriterien der EU zu, so die Begründung. Diese beziehen sich auf Güter, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können.
Zwar hatte das österreichische Parlament mit einem Beschluss von 2016 Waffenexporte in die Türkei untersagt. Aber der Beschluss war damals mit dem Vorgehen der Türkei gegen die Zivilbevölkerung in "kurdisch bewohnten Gebieten" und mit den Kampfhandlungen "in Syrien und Nordirak" begründet worden. Diese Klausel könne gelten, "war aber nicht", heißt es im "Standard".
Rüstungsexporte in den Iran seien ebenfalls verboten, wenn sie direkt aus Österreich geliefert, zur "militärischen Endverwendung" bestimmt oder "in Militärgüter eingebaut" würden, so die Wiener Behörde.
Rechtliche Vorgaben
Damit entspricht Österreich der von der EU 2009 erlassenen Dual-Use-Verordnung. Sie regelt die Genehmigungspflichten bei Ausfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck. Auch das deutsche Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle hat ähnliche Verordnungen erlassen, zuletzt das an deutsche Unternehmen gerichteten "Merkblatt zu Grundlagen der Exportkontrolle" vom November 2019.
"Deutsche Exporte sollen in Krisengebieten weder konfliktverstärkend wirken, noch zur internen Repression oder anderen schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen beitragen", hieß es.
Die Umsetzung der Vorgaben ist allerdings nicht leicht. Länder, die vom Exportverbot betroffen sind, können sich zum Beispiel die Rotax-Motoren womöglich dennoch verschaffen, bei Ebay oder bei den Fliegerwerften.
"Ein politisches Dilemma"
Unternehmen wie Rotax sehen sich einem Dilemma gegenüber. Grundsätzlich hätten Firmen eine ordnungspolitische Mitverantwortung für den Gebrauch ihrer Produkte, sagt der an der Universität Hamburg lehrende Wirtschaftswissenschaftler Dirk Ulrich Gilbert. "Ein entsprechendes Engagement sollte man von ihnen erwarten können."
Allerdings gebe es ein Problem: Es fehle eine internationale Regulierung. "Auf Grundlage internationaler Institutionen ließen sich entsprechende Kontrollmechanismen durchaus schaffen. Das Problem ist aber, dass die Bedeutung dieser Institution gerade in den vergangenen Jahren zurückgegangen ist. Derzeit geht es eher wieder in Richtung nationalstaatlicher Vorgaben." Deren Wirkung sei aber beschränkt, so der auf Unternehmensethik spezialisierte Ökonom.
Exportierende Unternehmen würden damit vor einer Schwierigkeit stehen. "Entweder entscheiden sie sich, in bestimmte Länder oder an bestimmte Abnehmer grundsätzlich nicht zu liefern. Oder sie suchen die internationale Zusammenarbeit. Diese stagniert aber gerade, wenn sie sich nicht sogar zurückentwickelt."
"Lieferkettengesetz" als Lösung?
Eine Möglichkeit, Firmen zu größerer Eigenverantwortung beim Export zu bewegen, wäre nach Experteneinschätzung eine juristische Initiative analog zum deutschen "Lieferkettengesetz", das die hiesige Firmen für Produktions- und Arbeitsbedingungen in insbesondere außereuropäischen Niedriglohnländern in die Pflicht nimmt. In Deutschland hat die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag von 2018 zum Ziel gemacht, die unternehmerische Sorgfaltspflicht per Gesetz durchzusetzen. Allerdings sind bislang noch keine konkreten Entwürfe öffentlich geworden.
Ein entsprechendes Gesetz für die Exportkontrolle könnte dazu beitragen, Unternehmen zu größerer politischer Verantwortung zu verpflichten, sagt Gilbert. "Elektronische Signaturen könnten es ermöglichen, dass elektronische Produkte nur für jene Zwecke eingesetzt werden können, für die sie entworfen wurden. Technisch wäre das möglich. Der so genannte Dual Use ließe sich so zumindest weitgehend verhindern."