Trump stößt Puerto Rico vor den Kopf
3. Oktober 2017US-Präsident Donald Trump hat während eines fünfstündigen Kurzbesuchs das von Hurrikan "Maria" zerstörte US-Außengebiet Puerto Rico begutachtet. "Jeder Tod ist ein Horror", beschrieb der US-Präsident das Ausmaß der Verwüstung nach einer Begehung. "Wir haben viele großartige Menschen hier, die sehr hart arbeiten", sagte Trump bei einem Treffen mit US-Militärs, Rettungskräften und puerto-ricanischen Regierungsvertretern. Kurz vor seiner Abreise nach Puerto Rico hatte Trump das US-Militär und die Katastrophenschutzbehörde Fema für ihre "unglaubliche Arbeit" gelobt. Die Straßen seien freigeräumt, und die Telekommunikation beginne wieder zu funktionieren. Tatsächlich sind die meisten Einwohner noch immer ohne Strom, viele haben kein fließendes Wasser, berichten örtliche Behörden.
Nachdem er sich vor Ort nach der Anzahl der Todesopfer erkundigt hatte, erklärte Trump: "Wenn man sich eine echte Katastrophe wie 'Katrina' anschaut mit Aberhunderten von Toten, und sieht, was hier bei dem Sturm passiert ist mit 16 Toten, könnt ihr sehr stolz sein." Bei den anwesenden Militärs, Rettungskräften und Politikern stieß diese Aussage auf Verwunderung. Kurz nach Trumps Abflug teilte Gouverneur Ricardo Rosselló mit, die Zahl der Todesopfer sei auf mindestens 34 gestiegen. Weite Teile der Karibikinsel sind noch immer abgeschnitten. Information gelangen nur sehr langsam zu den Verantwortlichen in der Hauptstadt. Experten hatten schon zuvor damit gerechnet, dass die Opferzahl noch steigen dürfte.
Kritik an Trump: Hilfe für US-Bundesstaaten kam schneller
Zuletzt war Kritik laut geworden, dass die Hilfsmaßnahmen zu langsam angelaufen seien. Präsident Trump wird unter anderem angelastet, dass die Bundesbehörden zuvor auf die Schäden der Wirbelstürme "Harvey" und "Irma" in den US-Bundesstaaten Texas, Louisiana und Florida deutlich zügiger reagiert hätten.
Die Bürgermeisterin der Hauptstadt San Juan, Carmen Yulín Cruz, hatte der Regierung in Washington vorgeworfen, ihr Land alleine zu lassen. "Wir sterben hier und ihr tötet uns mit der Ineffizienz und eurer Bürokratie", sagte die Bürgermeisterin zuletzt auf einer Pressekonferenz. "Ich kann nicht verstehen, dass die großartigste Nation der Welt nicht in der Lage ist, die Logistik für eine kleine Insel zu organisieren."
Trump griff die Bürgermeisterin für diese Kritik direkt an. "Welch armselige Führungskraft der Bürgermeisterin von San Juan und anderen in Puerto Rico", schrieb er am Wochenende per Twitter von seinem Golfclub in New Jersey aus. "Sie wollen, dass alles für sie getan wird, obwohl es eine gemeinschaftliche Anstrengung sein sollte."
Insgesamt feuerte der Präsident 18 Tweets ab, um seine Arbeit nach "Maria" zu verteidigen. Direkt nach dem Sturm schenkte Trump der katastrophalen Lage in dem US-Außengebiet tagelang überhaupt keine Beachtung. Stattdessen widmete der Präsident sich ausgiebig seiner Privatfehde mit Footballspielern, die aus Protest gegen Polizeigewalt gegen Schwarze während der Nationalhymne auf die Knie gehen. Als Trump sich dann zu Puerto Rico äußerte, erinnerte er die Inselbewohner erst einmal daran, dass sie ihre Schulden bezahlen müssten.
Puerto-Ricaner: Bürger zweiter Klasse?
Gouverneur Ricardo Rosselló warnt, Puerto Rico müsse schnell wieder auf die Beine kommen, sonst drohe eine massive Auswanderung in die USA. Die Insel brauche mehr als 60 Milliarden US-Dollar (50,1 Milliarden Euro) für den Wiederaufbau. Puerto Rico steckte schon vor "Maria""in einer schweren Wirtschaftskrise. Insgesamt liegt die Schuldenlast bei rund 70 Milliarden US-Dollar (rund 64 Milliarden Euro), hinzu kommen ungedeckte Pensionsansprüche. Washington hat die Insel bereits unter Finanzaufsicht gestellt. Die Verbindlichkeiten sollen nun in einer Art Konkursverfahren restrukturiert werden.
Puerto-Ricaner fühlen sich mit Blick auf die USA häufig als Bürger zweiter Klasse. Die frühere US-Außenministerin und Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton sagt: "Ich bin mir nicht sicher, ob Trump weiß, dass Puerto-Ricaner auch US-Bürger sind." Als Bewohner eines assoziierten Freistaats haben sie zwar einen US-Pass, aber sie dürfen nicht an den Präsidentschaftswahlen teilnehmen und ihre Delegierten im Kongress in Washington haben kein Stimmrecht. Kritiker sprechen von einem kolonialen System.
myk/cw (dpa, rtre, afp)