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Tschüss WM

Fernando Caulyt (glh)11. Juni 2014

Hohe Preise und die Angst vor Chaos treiben viele Brasilianer ins WM-Exil. Wer sich die Tage zwischen den spielbedingten Feiertagen freinehmen kann, reist ins Ausland. Das wirkt sich auch auf den Inlandstourismus aus.

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Brasilien Flugzeug der Tam fliegt (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Sie sind Geisterfahrer im Strom der rund 600.000 ausländischen Touristen, die wegen der WM nach Brasilien kommen: Brasilianer, die ihre Koffer packen und ins Ausland reisen, weil sie die viereinhalb Wochen Fußballwahnsinn lieber nicht miterleben möchten.

Im Vergleich zum Juni und Juli 2013 buchten Brasilianer dieses Jahr im selben Zeitraum rund 20 Prozent mehr Auslandsreisen. Das zeigen aktuelle Zahlen der Vereinigung Brasilianischer Reisebüros (Abav Nacional).

Brasilianer vermieten private Wohnungen an Touristen

Die WM liegt in Brasilien mitten in den Winterschulferien. Auch die Feiertage, die die Bundesstaaten an Spieltagen ausrufen können, sind ein willkommener Anlass zum Verreisen.

Eine gute Gelegenheit für WM-Muffel also, das Land zu verlassen. Viele nutzen den Andrang ausländischer Touristen, um gleichzeitig ein bisschen Geld zu verdienen. In Rio de Janeiro, Austragungsort des WM-Finales, vermieten zahlreiche Brasilianer beispielsweise die eigene Wohnung und lassen es sich mit dem Zuverdienten im Ausland gut gehen.

Proteste gegen die WM in Brasilien. (Foto: NELSON ALMEIDA/AFP)
Viele Demos und verstopfte Straßen werden erwartet: Da suchen manche Brasilianer lieber das WeiteBild: NELSON ALMEIDA/AFP/Getty Images

Manch ein Besserverdiener verknüpft den Urlaub deshalb auch gerne mit einer Einkaufstour. Ein iPhone bespielsweise kostet in brasilianischen Läden 1250 US Dollar, weil es mit hohen Importzöllen belegt wird. In den USA bekommt man ein gleichwertiges Modell für 650 US-Dollar. Wenn man nun einen günstigen Flug für rund 700 US-Dollar buchen kann, hat sich die Reise bereits doppelt gelohnt.

Negative Auswirkungen auf Inlandstourismus

Die plötzliche Reiselust während der WM wirkt sich auch auf den inländischen Tourismusmarkt aus. Bisher interessieren sich weniger Menschen für Reisen innerhalb Brasiliens, als ursprünglich von den Unternehmen erwartet. So verkauften Flugunternehmen für Juni und Juli zwar 26,5 Prozent mehr Flüge als zu Nicht-WM-Zeiten, sie hatten jedoch mit einem viel größeren Nachfragezuwachs gerechnet.

"Zu Beginn des Jahres waren die Preise für die Reisepakete im Inland noch sehr hoch. Mittlerweile sind sie um bis zu 68 Prozent gesunken", sagt Edmar Bull, Vize-Präsident von Abav Nacional. Ende 2013 waren auch Flüge und Hotelübernachtungen extrem teuer. Anfang 2014 genehmigte die brasilianische Luftfahrtbehörde (Anac) allerdings fast 2000 zusätzliche Flüge für die Wochen der WM. Die Folge war ein Preissturz für Inlandsflüge.

Fehlende Geschäftsreisende senken nationale Hotelauslastung

Auch die Preise für Hotelzimmer sanken in den Wochen kurz vor der WM wieder. Zu Beginn des Jahres, als die Übernachtungen um die Spieltage herum noch drei Mal so viel kosteten wie normalerweise, blieben die Buchungsraten in vielen Städten hinter den hohen Erwartungen zurück. Drei Wochen vor dem Anpfiff haben die meisten Städte doch noch ihr Planungssoll erreicht.

Infografik Hotelauslastung Brasilien eine Woche vor der WM

Dennoch sind die brasilianischen Hotels insgesamt während der WM bisher erst zu 55 Prozent ausgelastet. Vor allem São Paulo zieht den nationalen Schnitt drastisch nach unten. Nur ein Drittel der Betten sind hier zu den Spieltagen belegt. Der Hotelmarkt in der Business-Metropole lebt normalerweise maßgeblich von Geschäftsreisenden, die offenbar zur WM einen Bogen um die Stadt machen. Die WM-Touristen können das nicht ausgleichen.

"Wie hoch die Nachfrage für Übernachtungen und somit für den Tourismus insgesamt in einer Stadt ist, hängt sehr stark von der Beliebtheit der WM-Spiele und von weiteren interessanten touristischen Zielen in der Nähe eines Ortes ab", sagt Roberto Rotter, Präsident der Vereinigung brasilianischer Hotelbetreiber (FOHB). Entsprechend habe eine Großstadt wie Sao Paulo gegenüber Strandmetropolen wie Recife oder Rio de Janeiro das Nachsehen.