21 Prozent der Deutschen wollen mehr weiße Nationalspieler
3. Juni 2024Für seine Fernsehdokumentation "Einigkeit und Recht und Vielfalt" im Rahmen der Sendereihe "Sport Inside" hat der öffentlich-rechtliche Sender WDR das Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap mit einer repräsentativen Studie beauftragt. Die 1304 zufällig ausgewählten Personen wurden Anfang April aufgefordert anzukreuzen, welche der folgenden Aussagen auf sie zutrifft:
o Ich fände es besser, wenn wieder mehr weiße Spieler in der deutschen Nationalmannschaft spielen.
o Ich finde es gut, dass in der deutschen Mannschaft mittlerweile viele Fußballer spielen, die einen Migrationshintergrund haben.
o Ich finde es schade, dass der derzeitige Kapitän der deutschen Nationalmannschaft türkische Wurzeln hat.
Dabei bejahten rund 21 Prozent die erste Aussage, 65 Prozent stimmten ihr überhaupt nicht zu. 66 Prozent fanden es gut, dass in der deutschen Mannschaft mittlerweile viele Fußballer spielen, die einen Migrationshintergrund haben. Auf 17 Prozent der Befragten traf die Aussage 3 mit Bezug auf die Kapitänsbinde von Ilkay Gündogan zu, 67 lehnten sie ab.
Worum geht es in der WDR-Umfrage?
In der genannten TV-Dokumentation berichtet unter anderem Ex-Nationalspieler Gerald Asamoah von rassistischen Anfeindungen: "Die haben mich unter der Gürtellinie beschimpft, gewisse Wörter, die ich am liebsten gar nicht sagen würde. Auch das N-Wort ist tausendmal gefallen. Das war einfach Normalität."
Der 2014er-Weltmeister Shkodran Mustafi, erinnert sich, wie er und seine Mannschaftskollegen unter Beobachtung standen: "Wer singt die Nationalhymne mit? Wer singt sie nicht? Ist man integriert, ist man nicht integriert? Ist man dankbar dafür, für Deutschland spielen zu dürfen oder nicht?"
Im vorläufigen DFB-Kader für die EM im eigenen Land haben mit Antonio Rüdiger, Jonathan Tah, Waldemar Anton, Benjamin Henrichs, Ilkay Gündogan, Aleksandar Pavlovic, Leroy Sane, Jamal Musiala und Deniz Undav neun Spieler Migrationshintergrund.
Wie ist das Umfrageergebnis einzuschätzen?
Was zunächst schockierend für viele Menschen klingen mag, ist bei näherer Betrachtung keine große Überraschung. Gemäß ARD-Sonntagstrend "Wenn Sonntag Bundestagswahl wäre" vom 31. Mai gaben 18 Prozent der Befragten ebenfalls gegenüber Infratest dimap an, die AfD wählen zu wollen. Weitere fünf Prozent votierten demnach für das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW).
Unter den Anhängern der verschiedenen Parteien ergab die Umfrage zum DFB-Kader deutliche Unterschiede: Unter den Befürworterinnen und Befürworten des Bündnis' Sahra Wagenknecht wünschen sich 38 Prozent eine "weißere" Nationalmannschaft, unter denen der AfD sogar knapp jeder Zweite (47 Prozent). Die Zustimmungswerte von Anhängern der Union (18 Prozent), der SPD (14 Prozent) und der Grünen (fünf Prozent) fallen geringer aus.
Es dürfte sich auch um kein neues Phänomen handeln, liegen doch die Rassismus-Erfahrungen von Gerald Asamoah, von denen er berichtet, schon rund 20 Jahre zurück.
Wie reagiert die Nationalmannschaft auf die TV-Umfrage?
Joshua Kimmich sagte im EM-Trainingslager in Herzogenaurach: "Der Fußball ist ein sehr gutes Beispiel dafür, wie man verschiedene Nationen, Hautfarben und Religionen vereinen kann. Darum geht es." Er würde "viele Spieler sehr vermissen, wenn sie nicht hier wären", betonte er. So etwas sei "absolut rassistisch", fügte er bezogen auf die Ergebnisse der TV-Umfrage an.
Es sei zudem "absurd, so eine Frage zu stellen", so Kimmich, dies sei "kontraproduktiv". Für die Nationalmannschaft gehe es bei der Heim-EM darum, "das ganze Land zu einen und gemeinsam etwas zu erreichen". Dabei wolle sie "alle Menschen in Deutschland hinter uns kriegen". In der Mannschaft sei die Umfrage "noch kein Thema" gewesen.
Bundestrainer Julian Nagelsmann reagierte auf einer Pressekonferenz gereizt, offenbar weniger wegen des Ergebnisses als ob der Umfrage an sich: "Ich hoffe, nie wieder so was von so einer Scheißumfrage lesen zu müssen", sagte Nagelsmann. "Ich war schon schockiert, dass solche Fragen gestellt werden - und dass Menschen darauf antworten, auch".
WDR-Sportchef Karl Valks erklärte angesichts der aufgekommenen Kritik: "Unser Reporter Philipp Awounou wurde mit der Aussage konfrontiert, dass zu wenige 'echte', hellhäutige Deutsche auf dem Fußballplatz stehen. Das wollten wir bewusst nicht anekdotisch wiedergeben, sondern auf fundierte Daten stützen."