Türkei lässt deutschen Autor festnehmen
19. August 2017Die spanische Polizei habe Akhanli in seinem Urlaubsdomizil in Granada festgenommen, so Uyar. Gegen seinen Mandanten habe ein Dringlichkeitsvermerk der internationalen Polizeibehörde Interpol vorgelegen. Die deutsche Botschaft sei informiert, habe aber ebenso wenig Zugang zu dem Kölner Autor wie er selbst, erklärte Uyar. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amts teilte der Zeitung mit, dass der Vorgang geprüft werde. Akhanli ist deutscher Staatsbürger.
Das Auswärtige Amt hat die spanische Regierung gebeten, den auf türkischen Antrag hin festgenommenen Schriftsteller Dogan Akhanli nicht an die Türkei auszuliefern. Diese Bitte sei der spanischen Regierung "hochrangig" von der deutschen Botschaft überbracht worden, hieß es aus dem Auswärtigen Amt in Berlin. Zudem habe Deutschland darum gebeten, an einem möglichen Auslieferungsverfahren für den deutschen Staatsbürger Akhanli beteiligt zu werden. Des weiteren sei die spanische Regierung gebeten worden, die "schnellstmögliche konsularische Betreuung" des in Spanien festgenommenen Schriftstellers zu ermöglichen, hieß es in Berlin weiter.
Kritik aus den Parteien
SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz bezeichnete die Festnahme des Kölner Schriftstellers Dogan Akhanli als "ungeheuerlichen Vorgang". "Das Verhalten von Präsident Erdogan trägt inzwischen paranoide Züge", sagte der SPD-Chef der "Bild am Sonntag". "Es muss mit aller Vehemenz darauf gedrungen werden, dass Herr Akhanli nicht in die Türkei ausgeliefert wird und stattdessen schnellstmöglich freigelassen wird." Aus dem Auswärtigen Amt hieß es, man werde in dem Fall auf die spanischen Behörden zugehen.
Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck bezeichnete den Haftbefehl als "eindeutig rechtsmissbräuchlich" und kritisierte den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. "Die Festnahme zeigt den Versuch Erdogans, seine Macht über die Grenzen seines Landes hinaus auszudehnen, seine Kritiker einzuschüchtern und weltweit gegen sie vorzugehen", sagte Beck. Das Auswärtige Amt müsse alles unternehmen, um eine Auslieferung an die Türkei zu verhindern und die sofortige Freilassung des Schriftstellers zu erwirken.
Parteiübergreifende Kritik
Die Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, reagierte empört. Als "unglaublich", kritisierte sie die Verhaftung des Autors und forderte gegenüber der Tageszeitung "Neues Deutschland (ND)" die sofortige Freilassung. Kipping verwies zudem auf die zunehmende Repression durch das Regime in Ankara, dem sich nun offenbar auch internationale Behörden unterordneten: "Wie weit wollen wir Erdogan in Europa noch kommen lassen?", so Kipping weiter.
Der grüne Europaabgeordnete Jan Philipp Albrecht sagte im Kurzmeldungsdienst Twitter, "bei solchem Vorgehen muss die Zusammenarbeit im Rahmen von Interpol generell überdacht werden". Die EU müsse sicherstellen, dass in den Ländern, die sich der Behörde bedienten, der Rechtsstaat gilt, schreibt das ND.
Die türkischstämmige SPD-Politikerin Lale Akgün zeigte sich entsetzt. Akhanli sei deutscher Staatsbürger. "Wenn der Arm von Erdogans Schergen jetzt schon bis in die EU reicht, kann sich auch in Deutschland bald niemand mehr sicher sein, der sich kritisch über die Zustände in der Türkei äußert", sagte sie der Zeitung.
Akhanli, der seit 25 Jahren in Köln lebt und Mitglied der internationalen Schriftstellervereinigung PEN ist, äußerte sich wiederholt kritisch gegenüber der türkischen Regierung. In seinem literarischen Werk thematisiert er den Völkermord an den Armeniern sowie die Ablehnung der Anerkennung dieses Völkermords in der Türkei. Er setzt sich für Aufarbeitung von historischer Gewalt und die Achtung der Menschenrechte ein. 2009 wurde er vom Bündnis für Demokratie und Toleranz ausgezeichnet.
Der Autor wurde 1957 in der Türkei geboren. Nach dem Militärputsch 1980 ging er in den Untergrund. Er war zwei Jahre in einem Militärgefängnis inhaftiert, ehe er 1991 mit seiner Familie nach Deutschland fliehen konnte. Seit Mitte der 1990er Jahre lebt Akhanli als Schriftsteller in Köln.
Dauernd im Visier der türkischen Justiz
Bei einer Einreise in die Türkei Im Jahre 2010 wurde Akhanli erneut verhaftet. Ihm wurde Raubmord und die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vor Gericht vorgeworfen. Er verbrachte mehrere Monate in Untersuchungshaft, bis er 2011 freigesprochen wurde. 2013 hob ein Istanbuler Gericht den Freispruch auf und ging in Revision. Zur Verhandlung in der Türkei erschien Akhanli nicht, aus Angst vor Repressalien durch die türkische Justiz. Die hat nun den damals ausgestellten internationalen Haftbefehl vollstrecken lassen.
Nach der Festnahme Akhanlis rät der Journalistenverband DJV kritischen Kollegen, sich vor Auslandsreisen beim Bundeskriminalamt über mögliche Haftbefehle oder Fahndungen im Ausland zu informieren. Man rate türkeikritischen Kollegen "dringend", eine Selbstauskunft beim BKA zu beantragen, teilte der Verband mit. Die Festnahme Akhanlis auf Betreiben der Türkei sei als Warnzeichen zu verstehen, sagte der Bundesvorsitzende Frank Überall. "Journalisten brauchen Klarheit darüber, ob ein unbeschwerter Urlaubstrip ins Ausland im Knast endet"» Die spanische Polizei hatte Akhanli auf Grundlage einer sogenannten Red Notice von Interpol festgenommen. Damit kann ein Staat die anderen Länder um die Festnahme einer Person bitten.
cgn/HF (afp, dpa, epd, ksta.de, kna, der Spiegel, neues-deutschland.de)