Türkei: Parlament will mehr Macht für Erdogan
21. Januar 2017Im Gegenzug würde das Parlament in Ankara geschwächt. Mit der Verfassungsreform sollen das Amt des Ministerpräsidenten abgeschafft und seine Befugnisse auf den Präsidenten übertragen werden. Der Präsident würde also zugleich als Staats- und Regierungschef amtieren und könnte weitgehend per Dekret regieren. Sein Einfluss auf die Justiz würde weiter zunehmen.
Handgreiflichkeiten im Parlament
Die Opposition sieht in der Reform die Festschreibung einer autoritären Ein-Mann-Herrschaft unter Präsident Recep Tayyip Erdogan. Während der fast zweiwöchigen Parlamentsdebatte über die Verfassungsänderungen kam es zu hitzigen Auseinandersetzungen und zu Schlägereien im Parlament. Über die 18 Artikel wurde jeweils einzeln in zwei Lesungen abgestimmt. Sie alle erhielten - wie am Schluss auch das Gesamtpaket - die notwendige Dreifünftelmehrheit.
Zu der Volksabstimmung, bei der nur noch eine einfache Mehrheit notwendig ist, soll es voraussichtlich Ende März oder Anfang April kommen. Die Umsetzung der Verfassungsreform soll schrittweise erfolgen und bis Ende 2019 vollständig abgeschlossen sein.
Die Amtszeiten des Präsidenten wären zwar weiterhin auf zwei begrenzt, die Zählung würde unter dem neuen Präsidialsystem aber mit der für November 2019 geplanten Wahl neu beginnen. Theoretisch könnte Erdogan durch eine Hintertür in den Verfassungsänderungen bis zum Jahr 2034 im Amt bleiben, wenn er die jeweiligen Wahlen gewinnt.
Mehr Stabilität?
Erdogan führt an, dass das Präsidialsystem der Türkei Stabilität bringen würde. Das unter Terror und innerer Zerrissenheit leidende Land könne so wieder in ruhige Fahrwasser gesteuert werden. Der Chef der kleinsten Oppositionspartei MHP, Devlet Bahceli, und weitere MHP-Abgeordnete unterstützten die Reform im Parlament. Die größte Oppositionspartei CHP und die pro-kurdische Oppositionspartei HDP sind dagegen strikt gegen das Präsidialsystem.
Die HDP hatte angekündigt, sich aus Protest gegen die Inhaftierung ihrer Kollegen an den Abstimmungen zur Verfassungsreform nicht zu beteiligen. Elf HDP-Parlamentarier sitzen seit November wegen Terrorvorwürfen in Untersuchungshaft, unter ihnen die Parteichefs Selahattin Demirtas und Figen Yüksekdag. Sie waren damit von der Debatte ausgeschlossen. Besonders Demirtas hatte immer wieder deutlich gemacht, dass er das Präsidialsystem verhindern wolle.
haz/hk (afp, rtr, dpa)