1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Türkei: Diktator-Theaterstück verboten

Gezal Acer
27. Januar 2018

Der türkische Schauspieler Baris Atay tritt in der Rolle eines Diktators auf - und regt die Zuschauer zum Nachdenken an. Jetzt wurde sein Stück in mehreren Städten der Türkei verboten. Doch er will Widerstand leisten.

https://p.dw.com/p/2rZUc
Barış Atay / Theater Schauspieler
Bild: Privat

"Mein Interesse für Politik entstand nicht erst nach den Gezi-Protesten 2013 oder nachdem ich Schauspieler wurde. Ich bin 37 Jahre alt, mein politisches Engagement geht zurück auf meine Gymnasialzeit und meine Studienjahre an zwei Universitäten. Das hat nicht nur mit der AKP oder mit Recep Tayyip Erdogan zu tun. Und auch in Zukunft werde ich gegen Machthaber kämpfen, die den gesellschaftlichen Frieden beeinträchtigen."

Das sind die Worte von Baris Atay, dessen Ein-Mann-Stück "Nur Diktator" in einigen Städten der Türkei verboten wurde. In Ankara wurde ihm persönlich untersagt, auf die Bühne zu gehen. Dazu kamen offizielle Aufführungsverbote von Seiten des Gouverneurs in den Städten Artvin und Hopa in der Nordtürkei, in der Hauptstadt Ankara und in Kadıköy, einem der größten Stadtteile von Istanbul. Die Begründung: Das Stück könne die öffentliche Ordnung und Sicherheit negativ beeinflussen sowie den Frieden und die Sicherheit der Gesellschaft stören.

"Wenn ich in Ankara mit ein paar Freunden in einem Café bin und wir uns über Politik unterhalten, hat der Gouverneur das Recht, mich aus diesem Café zu entfernen", sagt Atay.

Die Geschichte eines Diktators

Onur Orhan hat das Stück geschrieben, Regie führt Caner Erdem. Die Figur, die der Schauspieler Baris Atay spielt, zeigt die Charakterzüge eines Diktators. Es geht auch um ihre innere Zerrissenheit. Am Ende wird der Zuschauer aufgefordert, sich seine eigene Meinung über Diktatoren zu bilden.

Doch was ist nun geschehen, dass dieses Stück, das seit drei Jahren aufgeführt wird, auf einmal verboten ist? "Eigentlich hat sich nichts verändert", sagt Atay. Doch die Bezüge zur heutigen Türkei hat die AKP-Wähler in den sozialen Medien verärgert. Für Atay ist das Verbot ein Beispiel dafür, welchen Druck die Regierung auf Menschen ausübt, die ihre Meinung nicht verbergen.

Ein politischer Künstler

Der Schauspieler Atay ist für sein politisches Engagement und seine entschlossene Haltung bekannt. 2015 hatte er noch gesagt: "Gäbe es einen Diktator, könnten Sie dieses Stück nicht sehen."

Als die Show vergangene Woche in Istanbul durch den Einsatz der Polizei verhindert wurde, nahm Atay auf seine Worte von 2015 Bezug und fragte: "Akzeptieren Sie durch dieses Verbot, dass der Staatspräsident ein Diktator ist?"

Barış Atay / Theater Schauspieler
Der 37-jährige Baris Atay ist für sein politisches Engagement bekanntBild: Privat

Atay hat in vielen TV-Serien und Kinofilmen mitgespielt. Als aufmerksamer Beobachter gesellschaftlicher Entwicklungen scheut er sich nicht davor, die Regierung zu kritisieren.  

Fast eine Million Menschen folgen ihm auf Twitter. Sein Einfluss über die sozialen Medien ist groß. "Die Türkei ist gespalten: es gibt jene, die alles machen, was die Regierung sagt, und jene, die die Regierung hinterfragen", sagt Atay. Die zweite Gruppe spüre die Auswirkungen durch die andere Gruppe.   

Verurteilung wegen Beleidigung von Erdogan 

Wegen seiner kritischen Haltung muss Atay immer wieder Zeit auf Polizeiwachen verbringen, wenn er nicht auf der Bühne steht. 

Im vergangenen Jahr kam er sogar vor Gericht, nach einer Beschwerde von Erdogan und dessen Sohn wegen Atays Artikel mit dem Titel "Hey Erdogan" in der Zeitung Birgün. Er wurde wegen Beleidigung des Staatspräsidenten zu einer Geldstrafe verurteilt. 

Unter der AKP-Regierung wurden in der Türkei die Intendanten der staatlichen und städtischen Theater ausgewechselt und viele Verträge von oppositionellen Künstlern beendet. Viele der Künstler, die seit den Gezi-Protesten die Regierung kritisierten, wurden arbeitslos oder verließen das Land. Mit dem Ausnahmezustand, der nach dem gescheiterten Putschversuch im Juli 2016 ausgerufen wurde, sahen sich viele Künstler gezwungen, nach Europa zu ziehen - unter anderem nach Deutschland. Doch Baris Atay ist in der Türkei geblieben.

Prozesse gegen Journalisten in der Türkei

Er ist sich sicher: Damit sich etwas ändert, müssen Musiker, Schauspieler, Regisseure, Autoren und alle anderen Kunstschaffenden gemeinsam vorgehen. Andernfalls wird der Druck zunehmen. "Wenn wir heute aus Angst bestimmte Dinge nicht sagen können, müssen wir erkennen, dass es bald unmöglich sein wird, überhaupt noch etwas zu sagen. Dieses Land wird dann kein Land mehr sein, in dem man leben kann", warnt der Künstler. 

Er selbst werde weiterhin Widerstand leisten: "Nur weil die Macht von einigen, nachdem sie an die Macht gekommen sind, von Tag zu Tag wächst und sie das als Druckmittel gegen uns benutzen, werde ich das Land, das ich liebe, nicht verlassen", so Atay. Er werde schon dafür sorgen, dass die Zuschauer das Stück "Nur Diktator" zu sehen bekommen. Irgendwie.