Türkischer Islamunterricht bald freiwillig?
16. September 2014Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof (EGMR) fordert die Türkei zu Reformen im staatlichen Religionsunterricht auf. Der Religionsunterricht im türkischen Schulsystem sei diskriminierend; die religiöse Überzeugung von Minderheiten werde nicht respektiert, heißt es in dem Urteil. Die Lehrpraxis in der Türkei verstoße gegen das Recht auf Ausbildung sowie gegen das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit der europäischen Menschenrechtskonvention.
Klage türkischer Aleviten
Eine Gruppe von türkischen Aleviten hatte geklagt, der derzeitige Unterricht basiere ausschließlich auf dem sunnitischen Verständnis des Islam. Der Klage ging eine Aufforderung an die türkische Regierung in 2005 voraus, die Kultur und Philosophie der Aleviten mit in den Lehrplan aufzunehmen. Dies hatte die Türkei jedoch abgelehnt. Daraufhin zogen die Kläger vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, mit der Begründung, die Teilnahme am Islamunterricht sunnitischer Prägung stürze ihre Kinder in unlösbare Wertekonflikte.
Abschaffung des verpflichtenden Islamunterricht
Der EGMR gab ihnen Recht und forderte die Türkei auf, das Schulsystem dahingehend zu reformieren, dass Schüler vom Religions- und Ethikunterricht befreit werden können, ohne dass Eltern ihre religiöse oder philosophische Überzeugung offen legen müssen. Das Gericht betonte die Pflicht des Staates, neutral und unabhängig bei der Regulierung religiöser Angelegenheiten zu agieren. Bislang werde nur Schülern mit christlichem oder jüdischem Glauben angeboten, nicht am Religionsunterricht teilzunehmen.
Die Türkei hat die Möglichkeit, innerhalb von drei Monaten gegen das Straßburger Urteil Einspruch einzulegen. Wird dieser abgelehnt, ist die Türkei an die Entscheidung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs gebunden und muss die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um sie umzusetzen.
nin/gmf (epd, kna)