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UKIP: Brexit-Partei sucht neue Rolle

Samira Shackle (kk)15. September 2016

Nachdem die europakritische Partei mit dem Brexit-Votum ihr Hauptziel erreicht hat, steht UKIP vor der Frage, wie sie jetzt noch Wähler mobilisieren kann. Die Aufgabe für den Parteitag: neue Führung, neuer Kurs.

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Paul Nuttall, der stellvertretende UKIP-Vorsitzende (Foto: imago/ZUMA Press)
Bild: imago/ZUMA Press

Im englischen Seebad Bournemouth treffen sich am Wochenende die Mitglieder der europakritischen "UK Independence Party" (UKIP) zum Parteitag. Lange Zeit wurde UKIP als Partei am Rande angesehen, ihre Treffen galten in den britischen Medien als skurrile und amüsante Veranstaltungen, über die sie eher beiläufig berichteten. Doch 25 Jahre nach der Parteigründung hat UKIP ihr Ziel erreicht: Die Wähler haben für den Austritt Großbritanniens aus der EU gestimmt.

Dennoch dürften die Delegierten kaum in Jubelstimmung sein. Nigel Farage, der Gründer und langjährige Parteichef, hatte kurz nach dem EU-Referendum seinen Rücktritt angekündigt. Seitdem befindet sich die Partei in einem Führungsstreit, der Parteitag soll die Entscheidung bringen.

Manche wollten nicht, andere durften nicht

Bemerkenswert allerdings: Keiner der bekanntesten Politiker der Partei findet sich auf dem Stimmzettel. Douglas Carswell, einziges UKIP-Mitglied im britischen Parlament, der stellvertretende Vorsitzende Paul Nuttall und der Führer des walisischen UKIP-Verbandes, Nathan Hill, hatten sich dagegen entschlossen, als Nachfolger Farages zu kandidieren.

Der noch amtierende Parteiführer Nigel Farage (Foto: picture alliance/ZUMA Press/P. Maclaine)
Abschied von UKIP? Der noch amtierende Parteiführer Nigel FarageBild: picture alliance/ZUMA Press/P. Maclaine

Zwei andere UKIP-Politiker durften sich nach umstrittenen Entscheidungen nicht auf die Wahlliste setzen lassen. Die Mitgliedschaft von Suzanne Evans, ehemalige Partei-Sprecherin, wurde ausgesetzt. Steven Woolfe, Mitglied im Europäischen Parlament, reichte seine Bewerbung mit 17 Minuten Verspätung ein. Beide machten dafür ihre innerparteilichen Gegner verantwortlich. Der Streit zeigt, wie erbittert der Machtkampf der verschiedenen Fraktionen geführt wird.

Auf der Suche nach dem politischen Sinn

"Nach dem EU-Referendum sucht UKIP einen neuen Platz in der Welt", sagt Jim Waterson, politischer Redakteur der Webseite Buzzfeed UK. "Nachdem mit dem EU-Austritt ihr wesentliches - alle Fraktionen einendes - Ziel erreicht ist, scheint es weniger, als verliere die Partei für die Öffentlichkeit an Bedeutung. Sie ist offenbar dabei, sich selbst zu zerfleischen."

Die Kandidaten - drei Mitglieder des Europäischen Parlaments und drei Basis-Aktivisten - sind nicht ansatzweise so prominent wie Farage, der im gesamten Land große Menschenmassen anzieht. Eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts BMG Research ergab, dass acht von zehn Menschen in Großbritannien keinen einzigen der Kandidaten kennen. Am bekanntesten ist noch die EU-Parlamentarierin Diane James. Sie hätte 2013 beinahe die Nachwahlen in der Stadt Eastleigh gewonnen, wo sie den Kandidaten der Konservativen auf den dritten Platz verwies.

"Diane James gehört zu der Fraktion in der Partei, die auf Modernisierung setzt. Sie hat sich sehr dafür eingesetzt, UKIP attraktiver zu machen und in eine normalere Partei zu verwandeln", sagt Matt Cole, Dozent für Geschichte an der Universität Birmingham: "Nigel Farage hat ausgeprägte Fähigkeiten als Medien-Darsteller wie auch als Außenseiter. Es wird für Nachfolger sehr schwierig, es ihm in dieser Kombination gleichzutun."

Eine Frau steckt ihren Kopf durch ein Plakat (Foto: Getty Images/AFP/J. Tallis)
Brexit? Nein, danke! Eine Pro-EU-Demonstrantin in LondonBild: Getty Images/AFP/J. Tallis

Das Gewissen der Leave-Kampagne

Wer auch immer die Partei künftig führen mag - er oder sie steht vor großen Herausforderungen. Am dringlichsten ist die existentielle Frage nach dem Zweck der UKIP in Post-Brexit-Großbritannien. Sie wird auf dem Parteitag wohl am intensivsten diskutiert.

"Die UKIP hat ihren politischen Zweck nicht verloren. Der wird in den kommenden zwei Jahren nämlich darin bestehen, den Brexit konsequent umzusetzen, so dass die Beziehung Großbritanniens zu Europa möglichst umfassend beendet wird", sagt Cole. "Das ist die Rolle von UKIP: Dafür zu sorgen, dass das Referendum nun in die Praxis umgesetzt wird, als Gewissen der Leave-Kampagne. Die Frage ist, wie sie dafür Stimmen gewinnt."

In den Parlamentswahlen des Jahres 2015 gewann UKIP 3,8 Millionen Stimmen. Bei der Europawahl 2014 erzielte sie 27,5 Prozent der Stimmen. Im britischen Parlament ist die Partei mit einem, im EU-Parlament mit 24 Mitgliedern vertreten. Nun, da die Beziehungen zu Europa kein so dringliches Problem mehr sind, steht die Partei vor der Gefahr, dass die Wähler zu den großen Volksparteien zurückkehren könnten.

Der neue Parteichef wird sich überlegen müssen, wie er diese Wähler bei der Stange halten will. "UKIP weiß derzeit nicht, wer sie ist: Eine Partei, die an den freien Markt und eine radikal neue Rolle des Staates glaubt, oder ob sie sich in erster Linie als anti-muslimische Partei präsentiert, die sich für ein Verbot der Burka stark macht", sagt der Journalist Waterson.

Die britische Premierministerin Theresa May (Foto: Reuters/J. Ernst)
Macht die Konservativen für manche Wähler wieder attraktiv: Die britische Premierministerin Theresa MayBild: Reuters/J. Ernst

Der Kampf um die Wähler aus beiden Lagern

2015 schöpfte UKIP Wählerstimmen nicht nur aus dem konservativen Lager, sondern ebenso von enttäuschten Labour-Anhängern, vor allem in Englands Norden.

"Es könnte der Partei leichter fallen, Labour-Anhänger als die der Konservativen bei sich zu halten. Wenn man im Grunde für die Konservativen ist, in den letzten zehn Jahren aber UKIP gewählt hat, dann könnten die Tories für diese Leute nun wieder attraktiv werden. Theresa May setzt sich für Gymnasien und den Brexit ein", erläutert Waterson: "Außerdem hat sie versprochen, die Einwanderung einzudämmen. Das könnte eine Menge verloren gegangener Wähler wieder anziehen."

Ganz anders schätzt Warerson das für frühere Anhänger der Arbeitspartei ein: "Wenn Sie ein Labour-Wähler waren, der kürzlich zu UKIP gewechselt hat, dann ist vielleicht die Idee, zu Jeremy Corbyns Pro-Einwanderungspartei zurückzukehren, nicht das, wonach Sie suchen."