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PolitikEuropa

Aktuell: Putin räumt sanktionsbedingte Probleme ein

7. September 2022

Vor Wirtschaftsvertretern lässt Russlands Präsident durchblicken, dass Unternehmen unter westlichen Sanktionen leiden. Kanzler Scholz hat dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj weitere Hilfe zugesagt. Ein Überblick.

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Russland | Wladimir Putin beim Eastern Economic Forum (EEF) in Wladiwostok
Bild: Sergey Bobylev/TASS Host Photo Agency/REUTERS

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Putin räumt sanktionsbedingte Wirtschaftsprobleme ein
  • Scholz sichert Selenskyj in Telefonat weitere Unterstützung zu
  • EU-Kommission plädiert für Preisdeckelung russischer Gasimporte
  • Baltische Staaten verhängen Einreisebeschränkungen
  • IAEA fordert Sicherheitszone um Saporischschja

 

In einer Rede beim Wirtschaftsforum in Wladiwostok hat Russlands Präsident Wladimir Putin eingeräumt, dass es in einigen Branchen und Regionen sanktionsbedingte Schwierigkeiten gebe. So hätten Unternehmen zu kämpfen, die auf Zulieferungen aus Europa angewiesen seien. Zugleich betonte er, die heimische Wirtschaft trotze den Sanktionen und erklärte die Maßnahmen  für gescheitert. Sie seien kurzsichtig und eine Gefahr für die gesamte Welt, sagte Putin. 

Zugleich warnte er vor wachsenden Problemen auf den weltweiten Lebensmittelmärkten, die für viele Menschen katastrophale Auswirkungen haben könnten. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine, sind die Getreideexporte des Landes zeitweise komplett zum erliegen gekommen. Putin setzte dem in seiner Rede entgegen: Russland habe alles getan, damit die Ukraine Getreide exportieren könne. Erst im Juli ermöglichte ein Abkommen, die Wiederaufnahme von Getreideexporten über die monatelang blockierten Häfen an der ukrainischen Schwarzmeerküste.

Deutschland Lubmin | Start der Wartungsarbeiten an Nord Stream 1
Durch die Rohre der Ostseepipeline Nord Stream 1 fließt kein Gas mehrBild: Jens Büttner/dpa/picture alliance

Auch bestritt Putin in seiner Rede, Energie als "Waffe" gegen Europa einzusetzen. Den Stopp der Gaslieferungen nach Deutschland durch die Pipeline Nord Stream 1 begründete Putin mit einer defekten Turbine. Verantwortlich seien der Westen und seine Sanktionspolitik. Für den Fall einer Deckelung der Energiepreise drohte der russische Staatschef mit einem Lieferstopp von Öl und Gas.

Scholz telefoniert mit Selenskyj

in einem Telefongespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj hat Bundeskanzler Olaf Scholz der Ukraine abermals weitere Hilfe zugesagt. Deutschland werde nicht nachlassen, die Ukraine militärisch, aber auch politisch, finanziell und humanitär zu unterstützen, betonte der Kanzler in dem Gespräch, wie ein Regierungssprecher in Berlin mitteilte. Scholz habe sich mit Selenskyj zudem über weitere konkrete Unterstützung ausgetauscht - auch in Sachen Wiederaufbau.

Deutschland Berlin | PK Koalitionsausschuss zum Entlastungspaket
Kanzler Olaf Scholz telefonierte abermals mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj Bild: Frederic Kern/Future Image/IMAGO

Mit Blick auf die Lage am Atomkraftwerk Saporischschja seien sich der Bundeskanzler und der ukrainische Präsident einig gewesen, dass die Sicherheit und der Schutz des AKW von größter Bedeutung ist. Dem Bericht der Internationalen Atomenergieagentur und den dort empfohlenen Maßnahmen komme eine wichtige Rolle zu.

EU-Kommission strebt Preisdeckel für Gasimporte an

Ungeachtet der Drohung Putins, keinerlei Gas, Öl oder Kohle zu liefern, dringt die EU-Kommission auf eine Preisdeckelung für russisches Gas. Ziel sei, Russlands Einnahmen zu verringern, sagte Kommissionschefin Ursula von der Leyen in Brüssel. Seitdem Russland Lieferungen über Nord Stream 1 eingestellt hat, fließt nur noch sehr wenig russisches Gas nach Europa.

Von der Leyen sagte, russisches Gas mache nur noch 9 Prozent der Gaseinfuhren in die EU aus, verglichen mit 40 Prozent zu Beginn des Krieges. Am Freitag treffen sich die EU-Energieminister, um über die Optionen zu beraten.

Brüssel stellt Kiew weiter fünf Milliarden Euro in Aussicht

Die EU-Kommission hat der Ukraine weitere Finanzhilfen im Umfang von fünf Milliarden Euro in Aussicht gestellt. "Die Lage in der Ukraine erfordert unsere volle Unterstützung", schrieb Kommissionspräsidentin von der Leyen am Mittwoch im Kurzbotschaftendienst Twitter.

Über die Freigabe der Mittel beraten ab Freitag die Finanzminister der Mitgliedstaaten in Prag. Die zusätzlichen fünf Milliarden gehören nach von der Leyens Angaben zu einer sogenannten Makrofinanzhilfe im Umfang von neun Milliarden Euro, die Brüssel im Mai angekündigt hatte. Davon ist bisher lediglich eine Milliarde Euro ausbezahlt.

Einreisebeschränkungen für russische Staatsbürger

Die baltischen EU-Mitglieder Litauen, Lettland und Estland haben sich grundsätzlich darauf verständigt, die Einreise russischer Staatsbürger aus Russland und Belarus einzuschränken. Das teilt der lettische Außenminister Edgars Rinkevics mit. Das Verbot werde in den kommenden Tagen verkündet. Ausnahmen werde es für Diplomaten, Lkw-Fahrer und auf Basis familiärer oder humanitärer Gründe geben.

London: Heftige Kämpfe an drei Fronten in der Ukraine

In der Ukraine wird nach britischen Angaben an mehreren Fronten heftig gekämpft: nahe der Stadt Charkiw im Nordosten, in der Region Donbass im Osten sowie im Gebiet Cherson im Süden. Die russischen Angreifer planen vermutlich vor allem, den Vormarsch auf die ostukrainische Stadt Bachmut fortzusetzen, wie das Verteidigungsministerium in London unter Berufung auf Geheimdiensterkenntnisse mitteilte. Dabei stießen die Truppen aber auf Probleme. "Die Kommandeure stehen vor dem Dilemma, ob sie operative Reserven zur Unterstützung dieser Offensive einsetzen oder sich gegen fortgesetzte ukrainische Vorstöße im Süden verteidigen sollen." 

Die ukrainischen Vorstöße erschwerten die Lage der Angreifer, hieß es weiter. "Mehrere gleichzeitige Bedrohungen, die sich über 500 Kilometer verteilen" dürften demnach die russischen Fähigkeiten auf die Probe stellen, die Operationen zu koordinieren. Das habe Russland schon früher nicht geschafft.

IAEA fordert Sicherheitszone um AKW Saporischschja

Am Dienstag hatte die der Internationale Atomenergiebehörde IAEA einen Bericht zur Atomsicherheit in der von Russland Ende Februar überfallenen Ukraine veröffentlicht. "Wir spielen mit dem Feuer und etwas sehr, sehr Katastrophales könnte passieren", sagte der IAEA-Chef  Rafael Grossi, vor dem UN-Sicherheitsrat in New York. Die Lage am von russischen Truppen besetzten ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja sei extrem gefährlich. Die Bombardements müssten "unverzüglich" gestoppt und alle Militärfahrzeuge in den Gebäuden der Anlage entfernt werden.

Ukraine-Krieg - Internationale Atomenergiebehörde
Durch die Kämpfe zerstörte Fenster des Kernkraftwerks Saporischschja Bild: picture alliance/dpa/Planet Pix via ZUMA Press Wire

Auch die externe Stromversorgung der Reaktoren müsse sichergestellt werden, um unter anderem die Kühlung des AKW zu gewährleisten. Grossi warnte eindringlich vor einem "nuklearen Unfall" und forderte die Einrichtung einer "Sicherheitszone".

Die Regierungen in Kiew und Moskau machen sich gegenseitig für den Beschuss von Europas größtem AKW verantwortlich. 

Russland fordert mehr Informationen von IAEA

Der russische Außenminister Sergei Lawrow fordert weitere Erläuterungen zu Teilen des IAEA-Berichts über die Lage am Atomkraftwerk Saporischschja. Eine entsprechende Anfrage habe Russland bereits an die Internationale Atomenergie-Agentur (IAEA) gerichtet, meldet die russische Nachrichtenagentur Interfax unter Berufung auf den Minister. 

Kremlchef Putin wies den Vorwurf zurück, dass Russland Waffen im Atomkraftwerk Saporischschja stationiert habe. Im Bericht der IAEA werde "von der Notwendigkeit gesprochen, Militärtechnik vom Territorium der Anlage zu entfernen. Doch auf dem Gelände des Kraftwerks ist keine Militärtechnik." Er lade westliche Journalisten ein, sich persönlich ein Bild von der Lage vor Ort zu machen.

Eigentlich sollten die westlichen Journalisten schon die Mission der Internationalen Atombehörde begleiten. Doch nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj wurden sie von den russischen Besatzungstruppen nicht auf das von Moskau kontrollierte Gebiet rund um das AKW-Gelände gelassen.

Deutschland hat Russland vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Verantwortung für die gefährliche Lage in Saporischschja gegeben. "Es ist Russland, das das Kraftwerk militarisiert. Es ist Russland, das Ausrüstung und Truppen auf dem Gelände stationiert", sagte der stellvertretende deutsche UN-Botschafter Thomas Zahneisen vor dem mächtigsten Gremium der Vereinten Nationen. Gefährdet sei das AKW wegen der russischen Besetzung des Geländes.

Angriffe auf russische Kommandoposten 

Die Ukraine meldet Angriffe auf sieben russische Kommandoposten. Zudem seien 13 "Objekte, an denen russische Streitkräfte konzentriert sind", angegriffen worden, teilte das ukrainische Militär in seinem regelmäßigen Lagebericht mit. Wo diese Ziele liegen, blieb offen. Zudem seien in der Region Donezk im Osten russische Angriffe auf mehrere Städte abgewehrt worden, darunter Bachmut.

Zuvor hat ein ranghoher pro-russischer Separatist in Donezk mitgeteilt, ukrainische Streitkräfte hätten die vom russischen Militär gehaltene Stadt Balakliia in der Region Charkiw attackiert. Sollte Balakliia fallen, würden die russischen Streitkräfte in Isjum an ihrer Nordwestflanke verwundbar, so Daniil Bessonow. Balakliia liegt zwischen Charkiw und Isjum, einer Stadt mit einem für den russischen Nachschub wichtigen Eisenbahnknotenpunkt.

Hilfsorganisation prangert Leid der Kinder im Ukraine-Krieg an

Seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine sind Hunderte Kinder im Krieg getötet worden - und es werden immer mehr. "Unschuldige Kinder werden in der Ukraine fast jeden Tag verletzt und getötet", klagt Sonia Khush, Landesdirektorin von Save the Children in der Ukraine. "Die Welt muss jetzt handeln." Viele Kinder hätten Zuflucht in Gebäuden gesucht, die Ziel von Angriffen seien. Und selbst wenn sie dies überlebten, blieben körperliche und seelische Wunden, betont die Organisation.

Ein Vater hält die Hand seines Sohnes, der bei einem russischen Angriff getötet wurde
Ein Vater hält die Hand seines Sohnes, der bei einem russischen Angriff getötet wurdeBild: Sofiia Gatilova/REUTERS

Daten des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte besagen, dass mehr als 370 Kinder vom Tag des Kriegsbeginns am 24. Februar bis 4. September getötet wurden. Knapp 640 Jungen und Mädchen seien verletzt worden. Auf diese Zahlen bezieht sich auch Save the Children.

Russland ist für die USA kein Terror unterstützender Staat

Die USA wollen Russland nicht als Terror unterstützenden Staat einstufen. "Wir haben uns das ernsthaft angeschaut", sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby. Dies sei aber nicht der effektivste Weg, Russland zur Verantwortung zu ziehen. Stattdessen könne eine solche Einstufung in humanitärer und politischer Hinsicht eher hinderlich sein. "Es wurde nicht leichtfertig abgetan", betonte Kirby.

Zuletzt hatte Lettlands Parlament Russland als Terror unterstützenden Staat eingestuft. Auf der von den USA geführten Staatenliste der Terrorunterstützer stehen derzeit vier Länder: Syrien, Iran, Nordkorea und seit Anfang 2021 auch Kuba. Sie müssen mit entsprechenden Sanktionen rechnen - unter anderem bei der US-Entwicklungshilfe, bei Rüstungsexporten sowie im Finanzsektor.

uh/AR/bri/ww/rb/fw (afp, ap, dpa, epd, kna, rtr)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.