Ukraine erinnert an Maidan-Proteste
21. November 2014Ein Jahr ist es her, als die Proteste auf dem Unabhängigkeitsplatz (Maidan) in Kiew begannen. Viel ist seitdem passiert: Die damalige Regierung von Wiktor Janukowitsch trat zurück, Russland annektierte die Halbinsel Krim, in der Ostukraine begann ein blutiger Konflikt, der laut Vereinten Nationen bereits mehr als 4000 Menschen das Leben kostete.
Anlässlich des Jubiläums empfing Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk US-Vizepräsident Joe Biden (Artikelbild) in Kiew. Biden kritisierte in scharfen Worten das aggressive Vorgehen Moskaus im Ukraine-Konflikt. Wenn Russland weiterhin nicht zur Umsetzung der Vereinbarung von Minsk beibetrage, riskiere das Land "steigende Kosten und eine größere Isolation", sagte Biden am Freitag nach dem Treffen mit Poroschenko. Russland provoziere weiterhin mir seiner Unterstützung für die prorussischen Separatisten. "Russland wird einen hohen Preis dafür bezahlen", sagte Biden.
Neue Finanzhilfe der USA
Die Führung in Kiew hatte gehofft, dass Biden weitere Militärhilfen für die Streitkräfte ankündigt, die anders als bisher auch Waffen und Munition umfassen. Der US-Vizepräsident äußerte sich hierzu aber nicht. Stattdessen erklärte sein Büro, dass das Weiße Haus zusätzliche Finanzhilfen in Höhe von 20 Millionen Dollar bereitstelle, um Reformen in Justiz und Strafverfolgung voranzutreiben. Mit weiteren drei Millionen Dollar soll die Versorgung von Flüchtlingen verbessert werden.
Bei den Gedenkfeiern wurde Staatspräsident Petro Poroschenko von Demonstranten ausgebuht. "Schande! Warum wurde niemand bestraft?", riefen mehrere Dutzend Angehörige von bei blutigen Polizeieinsätzen im Februar getöteten Demonstranten in Kiew.
"Poroschenko, wo sind die Mörder unserer Kinder?" stand auf einem Plakat. "Dank des Bluts unserer Kinder sind Sie ins Amt gekommen", rief ein Demonstrant dem Präsidenten entgegen. Poroschenko legte in der Instituzka-Straße, wo im Februar die meisten Demonstranten getötet worden waren, einen Kranz nieder. US-Vizepräsident Biden, der ihn eigentlich bei der Niederlegung begleiten sollte, blieb in seinem Auto sitzen.
Moskau finanziert offenbar Volksrepubliken
Vorab hatte Poroschenko von der EU und den USA eine Fortsetzung der Sanktionspolitik gegen Russland gefordert. Moskau sei ein "Aggressor", der Soldaten auf ukrainisches Gebiet geschickt habe. Der Kreml weist die Vorwürfe entschieden zurück.
Dabei finanziert Moskau offenbar die von prorussischen Separatisten ausgerufenen Volksrepubliken in Donezk und Luhansk. "Uns hilft die russische Föderation", erklärte der Verwaltungschef des Gebietes um Donezk, Igor Martinow, der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Dabei fließe "nicht nur ein bisschen Geld, sondern viel". Russland zahle etwa die Kosten der städtischen Dienste, des Nahverkehrs und der Schulen, sagte Martinow. Auch Renten- und Sozialleistungen würden aus Russland bezahlt. Die Verwaltung in Donezk könne nur etwa 20 Prozent des Finanzbedarfs aus eigenen Einnahmen decken.
Die Bundesregierung wertete die Aussagen Martinows als Beleg für die zentrale Rolle Russlands in dem Konklikt. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte in Berlin: "Ohne Russlands militärische und ohne Russlands finanzielle Unterstützung gäbe es den gewalttätigen Separatismus in diesen Regionen in der jetzigen Form nicht."
Ukraine verkauft Goldreserven
Die Regierung in Kiew hatte nach den nicht anerkannten Wahlen in den Separatistengebieten Anfang November alle Zahlungen in die von den Milizen kontrollierten Gebiete eingestellt. Das Land steht am Rande der Staatspleite. Es ist abhängig von ausländischen Krediten und schuldet Russland noch eine erhebliche Summe für Erdgaslieferungen. Die Landeswährung hat zum Dollar in diesem Jahr bereits 80 Prozent an Wert verloren. Im Oktober hat die Ukraine nach Angaben des IWF mehr als ein Drittel ihrer Goldreserven verkauft. Am Ende des Monats verfügte das Land noch über 26 Tonnen Gold, 14 Tonnen weniger als noch im September.
Die fünf proeuropäischen Parteien der ukrainischen Parlamentswahl haben sich unterdessen auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Das Dokument soll bei der ersten Sitzung der Obersten Rada am Donnerstag nächster Woche unterschrieben werden. Die neue Mehrheit werde 300 der 450 Abgeordneten umfassen, sagte Jazenjuk. Damit bekommt das Bündnis eine Zwei-Drittel-Mehrheit, mit der es die Verfassung ändern kann. Bei der Wahl am 26. Oktober hatten die prowestlichen Parteien zusammen mehr als 50 Prozent der Stimmen gewonnen. Die Kommunisten flogen aus dem Parlament.
ab/sti/kle (dpa, rtr, afp)