Hoffnung auf Ende der Gewalt schwindet
26. Januar 2014Die Hoffnung auf ein baldiges Ende gewaltsamer Proteste und eine politische Lösung der Krise in der Ukraine lebte nur wenige Stunden. In der Nacht zum Sonntag gab es neue Zusammenstöße zwischen radikalisierten Demonstranten und Polizisten.
Staatschef macht Angebot
Dabei schien zunächst eine Wende im eskalierenden Konflikt in Sicht. Am Samstagnachmittag trafen sich drei Oppositionsführer unangekündigt mit Präsident Viktor Janukowitsch. Dann kam die Eilmeldung, der Staatschef sei zu großen Zugeständnissen bereit. Er schlug der Opposition vor, Regierungsverantwortung zu übernehmen. Arsenij Jazenjuk, Fraktionschef der Partei "Batkiwschtschina" (Vaterland) könne neuer Ministerpräsident werden, hieß es aus dem Präsidialamt. Vitali Klitschko von der Partei UDAR (Schlag) bekäme den Posten des Vizeregierungschefs. Eine Arbeitsgruppe solle Verfassungsänderungen vorbereiten, die das Machtverhältnis zugunsten der Regierung verschiebe. Umstrittene Gesetze, die das Demonstrationsrecht einschränken, sollten überarbeitet werden. Auch eine Freilassung der bisher festgenommenen Aktivisten der Proteste sei möglich, so der Präsident.
Opposition will abwarten
Im Gegenzug sollten die Demonstranten die Hruschewskoho-Straße verlassen. Dann werde sich auch die Polizei zurückziehen, hieß es. Mit Spannung war die Reaktion der Oppositionsführer darauf erwartet worden. Trotz eisigen Temperaturen von minus 13 Grad versammelten sich am späten Samstagabend wieder über zehntausend Menschen auf dem Maidan. Die Botschaft: Die Opposition sei bereit, Verantwortung zu übernehmen, habe aber kein Vertrauen zum Präsidenten. Zunächst müsse Janukowitsch beweisen, dass er es ernst meine. Jazenjuk bezeichnete den kommenden Dienstag (28.01.2014) als einen Schlüsseltag. Dann soll das Parlament in einer Sondersitzung über Auswege aus der politischen Krise beraten. Zunächst will die Opposition ihre Proteste fortsetzen.
Durch die jüngsten Entwicklungen sehen sich diejenigen bestätigt, die von Anfang an gesagt haben: Janukowitsch verstehe nur die Sprache der Gewalt. Zwei Monate protestierten hunderttausende Ukrainer in Kiew friedlich gegen die Entscheidung des Präsidenten, die Annäherung an die Europäische Union zu stoppen. Der Staatschef ignorierte sie. Vor einer Woche schlugen die Proteste in Gewalt um. Es gab Tote und Verletzte. Plötzlich kam Bewegung in den Konflikt. Janukowtsch traf sich dreimal mit Oppositionsführern. Und er bot ihnen schließlich Posten in der Regierung an.
Demonstranten wollen bleiben
Viele Beobachter warnen jedoch vor einer Falle. "Auf keinen Fall Proteste einstellen", schreiben in ihren Blogs oppositionsnahe Intellektuelle und Experten.
Janukowitsch hat in der Tat nichts vorgeschlagen, was seine Macht ernsthaft gefährden könnte. Der Präsident verfügt im Parlament über eine satte Mehrheit. Er kann den Regierungschef jederzeit feuern. Auch über Verfassungsänderungen soll zunächst in einer Arbeitsgruppe beraten werden, so das Angebot. Es könnte sein, dass Janukowitsch die Opposition nur spalten und Zeit gewinnen möchte, warnen Beobachter die Opposition.
Die Demonstranten wollen jedenfalls nicht die Kiewer Stadtmitte räumen. "Wir gehen hier nicht weg", sagte der DW ein junger Mann, der sein Gesicht hinter einer Maske versteckt. Er und die vielen anderen, die seit Tagen Kämpfe mit der Polizei an der Hruschewskoho-Straße im Regierungsviertel führen, wollen keine Kompromisse. "Vor einer Woche hätten wir eine andere Lösung wohl akzeptiert", sagt der Mann. Nachdem aber Demonstranten durch Polizeikugeln starben, lautet die Kernforderung: Der Präsident müsse zurücktreten.