Ukraine-Krise: T-Shirts für den Frieden
8. Juli 2014Beim Empfang des Fashion Design Instituts, das sich auf einer belebten Straße im Zentrum von Düsseldorf befindet, diskutieren ein Dutzend junger Frauen leidenschaftlich ihre Ideen für das nächste Studienprojekt. In den weißen Fluren des Gebäudes hängen großformatige Bilder, an den Wänden stehen Ankleidepuppen in bauschigen, historischen und abstrakt-geometrischen Kleidern. Hier und da probieren Studentinnen die von ihnen selbst genähten Outfits an.
Modedesignerin Inna T. ist die Leiterin des Instituts. Die fast einzige Dekoration in ihrem Büro ist ein langer Garderobenständer mit etwa 50 Modellen, die die 33-Jährige selbst entworfen hat. Vor neun Jahren ist die Designerin aus der russischen Stadt Saratow nach Deutschland gekommen.
Ihr Vater ist Ukrainer, ihre Mutter Russin. Kein Wunder, dass der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine ihr nahe geht. "Ich gucke jeden Tag deutsches und russisches Fernsehen. Da sieht man aber völlig unterschiedliche Sachen, und ich verstehe nicht, was dort tatsächlich passiert", sagt sie.
"Unterschiedliche Sachen" hört sie auch von ihren Verwandten und Freunden aus beiden Ländern, die sie fast täglich per Telefon oder Skype anruft. Auf der einen Seite unterstützen Innas Angehörige die Politik von Putin, auf der anderen fordern sie, dass man ihr Land endlich in Ruhe lässt. "Ich ergreife keine Partei und lasse sie einfach ausreden. Das schwierigste für mich ist, zu verstehen, dass ich niemandem helfen kann, nur mitfühlen", erzählt die Modeschöpferin.
Ob jemand kauft, ist Nebensache
Schon lange verfolgt Inna die Entwicklung der Krise und hat häufig von Protestaktionen gelesen, die in deutschen Städten stattfanden. Selbst auf die Straße zu gehen kommt für sie nicht in Frage - ihre Gefühle will sie "etwas ruhiger" ausdrücken.
Ihre neue Kollektion präsentiert die Designerin am Dienstag (08.07.2014) im Rahmen der Berlin Fashion Week. Bei der Schau im legendären Hotel Adlon am Brandenburger Tor zeigt sie Kleidungsstücke, die beide Seiten des Konflikts zum Frieden aufrufen.
Auf einem hellen Minirock sieht man eine Friedenstaube mit einem farbigen Federschwanz aus Seide. Gelbe und blaue Stoffstückchen symbolisieren die ukrainische Nationalfahne; weiße, blaue und rote die russische. Auf einen anderen Rock hat sie mit einem schwarzen Band zwei Hände, die einander greifen, gestickt. Auf zwei feinen Viskose-Blusen - riesige Herzen, deren Farben wiederum an die beiden Flaggen erinnern.
Dass man solche Outfits kaufen wird, glaubt die Modeschöpferin nicht. Dafür sind die Sachen zu politisch. "Das sind sogenannte Show-Pieces. Damit wollte ich nur meine Gedanken und Gefühle äußern", erklärt sie.
Mode in der Krise
Die andauernde Krise zwischen den osteuropäischen Nachbarländern belastet auch das Geschäft. Der Verkauf von Exemplaren ihres Modelabels Sava Nald, das sie zusammen mit ihrem deutschen Mann gegründet hat, ist dadurch stark betroffen. "Der Absatz in Russland ist zusammengebrochen und nicht nur bei mir, einer jungen Designerin, aber auch bei großen Firmen. Die Leute haben Angst, dass etwas noch Schlimmeres passieren könnte, und wollen ihr Geld nicht für Kleidung ausgeben", sagt die Designerin.
Jetzt muss sich die kleine Firma auf ihren anderen Markt verlassen: Deutschland, wo ihre Kleidung auch hergestellt wird. Das Problem ist nur, dass fliegende Röcke, luftige Blusen und fließende Kleider, die sie kreiert, dem Geschmack der Deutschen nicht immer entsprechen. "Sie sagen, es sei zu viel", erklärt die Modeschöpferin.
Trotzdem ist es ihr gelungen, auch in Deutschland Kundinnen zu gewinnen. Es sind vor allem berufstätige Frauen, die Führungspositionen inne haben. "Diese Frauen wollen professionell auftreten. Sie tragen Etuikleider und Stiftröcke. Das ist genau meine Zielgruppe."
Bereits zum sechsten Mal zeigt die Modeschöpferin ihre Kreationen auf der Berlin Fashion Week. Doch zum ersten Mal hat sie auch eine politische Botschaft. Die Designerin hat lange überlegt, ob solche Aussagen überhaupt zu dieser Veranstaltung passen. Und dann hat sie beschlossen: In einer Stadt wie Berlin, wo man keine Angst habe, seine Meinung offen zu sagen, werde ihr Anliegen hoffentlich unterstützt.