Umstrittener Konsum
26. Dezember 2012Schnitzel, Bratwurst, Schwarzwälder Schinken, Kotelett, Bärchensalami, Kasseler, Rouladen, Kochwurst... - es gibt Fleisch. Ob zum Frühstück, Mittagessen oder Abendbrot, der Deutsche hat eine Vorliebe für tierische Erzeugnisse. Männer essen im Schnitt 1,2 Kilogramm Fleisch jede Woche, Frauen immerhin die Hälfte.
Und der Hunger nach Fleisch wächst. In den letzten 50 Jahren hat sich der weltweite Fleischkonsum vervierfacht und liegt heute laut Weltagrarbericht bei 283 Millionen Tonnen pro Jahr.
"Konkurrenz zwischen Trog und Teller"
Die Produktion von so viel Fleisch bleibt nicht ohne Folgen. "Es gibt eine Konkurrenz zwischen Trog und Teller", sagt Nicole Maisch, Sprecherin für Verbraucherfragen der Grünen Bundestagsfraktion, der Deutschen Welle.
Futtermittel beanspruchen immer mehr Anbauflächen für sich - und fruchtbarer Boden ist auf der Erde nicht unbegrenzt vorhanden. 30 Prozent der Weltgetreideernte wird an Tiere verfüttert und kommt nicht bei Menschen auf den Tisch. "Wenn wir alle Menschen satt bekommen wollen, dann geht das nicht mit einem so hohen globalen Fleischkonsum, wie wir ihn jetzt haben", sagt Maisch.
Ein weiterer Faktor ist der wertvolle Rohstoff Wasser: Die Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch erfordert bis zu 40.000 Liter, sagt Maisch. Dem stehen laut UNICEF 783 Millionen Menschen ohne sauberes Trinkwasser gegenüber.
Und auch für den Klimawandel spielt Fleischkonsum eine wichtige Rolle, da die Tierhaltung 18 Prozent aller weltweiten Treibhausgase verursacht. Das ist mehr als der Verkehrssektor.
Nährstofflieferant oder Krebserreger?
Für den menschlichen Körper hingegen ist Fleisch nicht grundsätzlich schlecht. "Es ist ein Lieferant für hochwertiges Eiweiß und wichtige B-Vitamine", sagt Antje Gahl von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) der DW. "Wenn man die empfohlene Menge einhält, profitiert man von den wertvollen Nährstoffen, ohne zu viel unerwünschte Begleitstoffe aufzunehmen."
Die empfohlene Menge der DGE liegt bei 300 bis 600 Gramm Fleisch pro Woche. Der durchschnittliche Mann isst allerdings weit mehr - und das kann gefährlich werden, sagt die Ernährungswissenschaftlerin: "Rotes Fleisch erhöht das Risiko für Dick- und Mastdarmkrebs."
In rotem Fleisch, also Rind, Schwein und Lamm, ist mehr Häm-Eisen enthalten als in weißem Fleisch wie Hähnchen. Diese Art von Eisen ist beispielsweise im roten Blutfarbstoff gebunden, es unterscheidet sich chemisch von Nicht-Häm-Eisen und wird leichter vom Körper resorbiert.
Häm-Eisen fördert aber die Bildung von krebserregenden Verbindungen im Darm. "Der Prozess setzt bei einer Aufnahme von circa 60 Gramm rotem Fleisch pro Tag ein", so Gahl.
Thomas Vogelsang, Geschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Fleischwarenindustrie steht Studien zu den gesundheitlichen Folgen des Fleischkonsums kritisch gegenüber. Angesprochen auf das erhöhte Krebsrisiko durch rotes Fleisch wies er darauf hin, dass auch Lebensmittel wie Cola in Massen schädlich seien: "All Ding ist Gift, nur die Menge macht's."
Vegetarische Alternativen
Initiativen wie den Veggi Day, ein Tag in der Woche, an dem Kantinen, Schulen und Uni-Mensen vegetarische Gerichte anbieten, findet Vogelsang zweifelhaft auf Grund ihres "Volkserziehungscharakters."
"Wir wollen die Leute nicht zwangsbeglücken", hält Michael Faber, Fraktionsvorsitzender der Linken im Stadtrat Bonn dagegen. Er setzt sich seit 2010 für einen Veggi Day in Bonn ein. Eine freiwillige Basis für den Schritt zu weniger Fleisch sei unerlässlich.
Er betonte, dass das Ziel des Veggi Days sei, den Leuten zu zeigen, dass "vegetarische Kost nicht mit einem Verlust an Lebensqualität einhergehen muss, sondern ein Gewinn sein kann."
Eine Vielzahl von fleischlosen Gerichten können die Gäste im "Cassius Garten" am Bonner Hauptbahnhof probieren. Das Restaurant bietet seit 23 Jahren eine "vollwertige" Ernährung an, wie das Schild über dem Eingang verkündet. Obwohl alle Gerichte ohne Fleisch auskommen, "steht hier nirgendwo 'vegetarisch' drauf", sagt Besitzer Jan Lüth. "Diese Nische ist zu klein."
Lüth geht davon aus, dass 80 Prozent seiner Gäste keine Vegetarier sind. Sie kommen, weil sie das Essen aus frischen Zutaten schätzen.
Zwei Stockwerke unter dem Buffet, an dem sich jeder selbst bedient, mahlen zwei Mühlen Vollkornmehl, und morgens um 9 Uhr stehen 15 Leute in der großen Küche des "Gartens", um vor dem Mittagsansturm 60 verschiedene Salate zuzubereiten. Lüth ist stolz auf das vielfältige vegetarische Angebot seines Restaurants, sagt jedoch privat zu einem Stück Fleisch hin und wieder nicht "nein".
Bei einer abwechslungsreichen Ernährung mit viel Vollkornprodukten und Gemüse ist das kein Problem, meint Antje Gahl von der DGE: "Fleisch hat schon eine wichtige Rolle, so dass man nicht darauf verzichten muss. Aber man sollte es in Maßen verzehren."