Green Week
5. Juni 2014US-Umweltlegende Jeffrey Sachs, Direktor des Earth Institute der Colombia University, New York, hatte allen Grund zum Optimismus, als er in Brüssel vor die bei der Green Week versammelten Geschäftsleute, Politiker und Umweltvertreter trat. Sein Präsident, Barack Obama, hatte nur Tage vor dem Beginn der jüngsten UN-Klimagespräche in Bonn am 4. Juni 2014, Maßnahmen in Aussicht gestellt, um den CO2-Ausstoß von Kohlekraftwerken drastisch zu verringern.
In der Vergangenheit hatte Sachs immer wieder seine Frustration über den amerikanischen Widerstand gegen verbindliche Emissionsziele zum Ausdruck gebracht. Jetzt, sagt er, atme die Welt auf. Eine Vereinbarung sei näher gerückt. Die Welt bewege sich weiter in eine Richtung, die die Einhaltung des Zweigradziels ermöglichen könne.
Neue Hoffnung für eine Weltklimavereinbarung?
Auch wenn noch zahlreiche Hürden überwunden werden müssten, bevor Obamas innenpolitische Initiative Früchte tragen könnte, sehen viele der Umweltinteressierten hier in Brüssel die Ankündigung als positives Zeichen. Immerhin versuche die US-Regierung durch Maßnahmen der Bundesumweltbehörde EPA einen langjährigen Stillstand im innenpolitischen Streit mit der Opposition über die Klimapolitik zu überwinden.
Als weiteres Hoffnungszeichen galt die Ankündigung des chinesischen Klimabeauftragten He Jiankun: China, der weltweit größte Kohlendioxid-Produzent werde erstmals seine Treibhausgas-Emissionen mit einer festgelegten Obergrenze eindämmen. Dies werde im kommenden Fünf-Jahres-Plan der Führung verankert, der im Jahr 2016 in Kraft trete. Für viele Beobachter bemerkenswert: Er machte die Äußerung mitten in einem andauernden Handelsstreit zwischen China und den USA um die Subventionierung chinesischer Solarpaneele für den internationalen Markt.
Selbst wenn der einflussreiche Chinese seine Äußerung inzwischen als "Privatmeinung" wieder relativiert hat, scheint für viele Teilnehmer der Green Week eine neue Klimavereinbarung, die 2015 in Paris beschlossen werden und 2020 in Kraft treten soll, etwas näher gerückt zu sein. "Die Signale aus den in der Klimadebatte polarisierten Staaten USA und China zeigen eine wichtige Änderung, zunächst jeweils innenpolitisch", freute sich etwa der Direktor der UN-Umweltagentur UNEP Achim Steiner im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Das ist eine Voraussetzung für den Aufbau einer neuen Position auf der internationalen Ebene.
Beide Länder hätten in den vergangenen Jahren zu Hause viele Fortschritte erzielt. "Ihre Leistungen bei den erneuerbaren Energien, der Energieeffizienz und der Mobilität zeigen alle eine bedeutende Umorientierung der Wirtschaft", sagte der UN-Umweltchef und fügte hinzu, dass ein internationales Klimaschutzabkommen das noch weiter erleichtern würde: "Wenn beide Länder das einsähen, sei ein veränderter geopolitischer und umweltpolitischer Kontext denkbar."
Zu wenig zu langsam?
Trotzdem geht diese Wende hin zu verbindlichen CO2-Einsparungszielen vielen nicht schnell genug, gerade vor dem Hintergrund immer knapper werdender Ressourcen und fortschreitenden Klimawandels. "Trotz der Investitionen in innovative Technologien, einer breiten Unterstützung in vielen Teilen der Bevölkerung und der politischen Rhetorik drängen grünere Wirtschaftsmodelle nicht schnell genug durch", sagt etwa James Murray, Chefredakteur der Zeitschrift businessGreen. "Die Umweltschutzbewegung befindet sich in einer Krise."
EU-Umweltkommissar Janez Potočnik begrüßte zwar die Rekordteilnahme von Wirtschaftsvertretern auf der diesjährigen Umweltveranstaltung in Brüssel. Im Großen und Ganzen bewege sich Europa jedoch in die falsche Richtung. "Wir leben im 21. Jahrhundert immer noch mit dem Wirtschaftssystem des 19. Jahrhunderts. Unser Wirtschaftsmodell entwickelt sich immer noch linear", so die ernüchternde Einschätzung von Europas oberstem Umweltschützer. Die Zukunft liege in einer Kreislaufwirtschaft, wo knappe Ressourcen sparsam eingesetzt werden und keine Verschwendung stattfinde.
Auf dem Weg zu einer erneuerbaren Zukunft?
UNEP-Chef Steiner bekundet Verständnis für die Bedenken von Murray und anderen. "Wissenschaftler und Umweltschützer haben allen Grund, über die Geschwindigkeit des Fortschritts frustriert zu sein." Indes verweist Steiner auch auf das Erreichte: "In weniger als anderthalb Jahrzehnten haben wir eine ganze Energierevolution auf den Weg gebracht. Im letzten Jahr wurde weltweit mehr Geld in eine neue erneuerbare Energieinfrastruktur investiert als in Öl, Gas und Kohle zusammen", zählt er auf.
"Das sind grundsätzliche Veränderungen, die durch ein wachsendes Umweltbewusstsein und eine Veränderung der öffentlichen Meinung zustande kamen - und auf die die Wirtschaft reagiert." Gleichzeitig stehe die Welt aber "vor einer Eskalation und einem Ausmaß an Umweltveränderungen, auf die die meisten unserer Antworten zurzeit unzureichend sind".
Für Earth-Institute-Direktor Sachs stößt das "massive Wachstum der Weltwirtschaft auf der Basis von fossilen Energieträgern an planetarische Grenzen". Oberste Priorität habe für ihn die Eindämmung des Klimawandels, der bereits in Form von Stürmen, Dürren und Überflutungen in Erscheinung trete.
Klimaschutz auf Kosten der Umwelt?
Sandra Steingraber, US-Autorin und Umweltaktivistin, erinnerte daran, dass die Verbesserung der US-Klimawerte dem Einsatz von umwelt- und gesundheitschädlichem Fracking zu verdanken sei. Die Öl- und Gasindustrie halte die Welt als "Geisel", bemängelte sie. Ihrer Meinung nach sei eine "aktive neue Umweltbewegung unabdingbar, um diese Geiselnahme zu beenden."
Marco Lambertini, Generaldirektor der Umweltschutzorganisation WWF räumte ein, dass es ein "riesiges öffentliches Umweltbewusstsein" gebe, allerdings gelinge es derzeit nicht, dieses "in konzertierte Aktion umzusetzen". Gegenüber der Deutschen Welle kündigte er an, seine weltgrößte Umweltschutzorganisation sei im Begriff, neue Arten der Kampagnenarbeit zu entwickeln, in denen sozialen Medien eine tragende Rolle zukomme.
Man müsse sich nicht nur an diejenigen wenden, die ehe schon an Umweltthemen interessiert sind. Ein Beispiel für solch eine erfolgreiche Kampagne sei die "Earth Hour", sagt Lambertini. Rund um die Welt hätten Menschen sich die Idee einer Umweltgruppe zu Eigen gemacht und für eine Stunde das Licht ausgeschaltet. Das sei ohne die neuen Möglichkeiten der sozialen Medien nicht möglich gewesen, weil so Millionen von Menschen rund um den Globus mobilisiert wurden, so der WWF Chef.