Umweltministerin bekämpft Insektensterben
11. Oktober 2018"Das Insektensterben zu stoppen, ist eine zentrale politische Aufgabe unserer Zeit. Wenn wir dem Insektensterben nicht bald Einhalt gebieten, gefährden wir nicht nur unsere Vogelwelt und die Natur insgesamt, sondern auch unsere Landwirtschaft und andere Wirtschaftszweige", sagte Bundesumweltministerin Svenja Schulze am Mittwoch auf dem 9. Nationalen Forum zur biologischen Vielfalt in Berlin.
"Wir sind auf die Leistungen der Insekten angewiesen. Um das Insektensterben aufzuhalten, brauchen wir mehr Lebensraum für Insekten, weniger Pestizide und eine klügere Agrarförderung. Das heißt: Wir sollten eine Landwirtschaft fördern, die den Insekten nicht schadet, sondern ihr Überleben ermöglicht", betonte Schulze auf der Expertentagung.
Insekten brauchen nachhaltige Landwirtschaft
Mit einem "Aktionsprogramm Insektenschutz" will die Ministerin dem Sterben der Insekten entgegenwirken. Eine Chance dafür sieht Schulze in der laufenden Reform der EU-Agrarförderung: Mit Hilfe von höheren Zahlungen an die Landwirte ließen sich Lebensbedingungen von Insekten in der Agrarlandschaft verbessern.
Dazu sei jedoch ein grundsätzliches Umdenken bei der Agrarförderung notwendig: "Wir brauchen eine bessere Naturschutzfinanzierung und deshalb müssen wir bei der gemeinsamen Agrarpolitik der EU ansetzen", sagt Schulze. "Die bisherigen Vorschläge der Europäischen Kommission dazu sind aus Naturschutzsicht leider absolut unzureichend."
Diese Einschätzung teilt auch der Sachverständigenrat für Umweltfragen und der Wissenschaftliche Beirat für Biodiversität und Genetische Ressourcen (WBBGR). Die Berater der Bundesregierung stellten auf der Berliner Tagung ihre Empfehlungen für den Insektenschutz vor.
Ihr Rat: Die Zahlungen aus dem EU-Haushalt an die Landwirte sollte zukünftig an eine Stärkung der Landschaftsvielfalt und Insektenfreundlichkeit geknüpft werden. Die Fördermaßnahmen sollten dabei so ausgestaltet werden, "dass sie sowohl dem Insektenschutz dienen als auch die Landwirtinnen und Landwirte für eine naturverträglichere Landwirtschaft stärker entlohnen", sagt Professor Peter Feindt, Vorsitzender des WBBGR.
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"Ohne Insekten können wir nicht überleben"
Daneben zielen die Vorschläge des Umweltministeriums auch auf eine grundlegende Änderung im Umgang mit Pestiziden ab. "Wenn wir Insektenschutz ernst meinen, müssen wir den Einsatz von Pestiziden aller Art deutlich verringern", so Ministerin Schulze. Pestizide wie Glyphosat gefährden nachweislich die biologische Vielfalt.
Das Bundesumweltministerium will den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln deshalb generell umwelt- und naturverträglicher gestalten. Im Zulassungsverfahren solle der Insektenschutz gestärkt werden. Bedingung für zukünftige Zulassungen von Pestiziden sollen außerdem ausreichend Schutzflächen für Biodiversität sein. In ökologisch besonders schutzbedürftigen Bereichen sollen laut Umweltministerium gar keine Pestizide mehr angewendet dürfen.
Trendumkehr beim Insektenschwund möglich?
Das "Aktionsprogramm Insektenschutz" bezeichnet das Umweltministerium auch als eine Diskussionsgrundlage. Neben Gesprächen mit Experten ist Schulze hierbei auch der Dialog mit den Bürgern wichtig.
Auf einer Onlineplattform können Bürger in den nächsten vier Wochen die Vorschläge des Umweltministeriums kommentieren und eigene Ideen einbringen: "Ein wirksamer Schutz der Insekten und ihrer Vielfalt kann nur als gemeinsame Kraftanstrengung gelingen. Deshalb hoffe ich, dass sich möglichst viele Menschen an unserem Online-Dialog beteiligen", sagt Schulze.
Die Naturschutzverbände BUND, DUH, WWF und der Umweltdachverband Deutscher Naturschutzring (DNR) begrüßen die geplanten Maßnahmen und die Möglichkeit, sich an der Diskussion über die konkrete Ausgestaltung des Aktionsprogramms zu beteiligen. "Wir unterstützen insbesondere das vorangestellte Ziel, Veränderungen in unseren Agrarlandschaften zu erreichen, da Insekten hier ihre höchsten Verluste erleiden", sagt Undine Kurth vom DNR.
Ob die Bundesregierung ihr Ziel einer Trendumkehr beim Insektenschwund noch in dieser Legislaturperiode erreichen wird, hänge jedoch laut Kurth von der Kooperationsbereitschaft und dem ambitionierten Willen aller Ressorts ab. Hier sehen die Verbände die große Schwachstelle im Landwirtschaftsministerium, das sich in der Vergangenheit fast ausschließlich an den Interessen der Agrar- und Chemieindustrie orientiert hat.