Umweltpreise: Geld, Ruhm und Neid
6. November 2015"Frau Hock-Heyl arbeitet nicht mehr bei uns", erklärt die Mitarbeiterin am Telefon. "Ich kann Ihnen leider auch nicht mehr sagen." Auch im Internet verliert sich die Spur von Carmen Hock-Heyl, nur zwei Wochen nach der Verleihung zum Deutschen Umweltpreis 2013. Sie erfand Hanfmatten zur Dämmung aus nachwachsenden Rohstoffen. "Sie hat das einzigartige Material hoffähig gemacht und ist ein Vorbild für andere Unternehmen", heißt es im Auszug aus der Laudatio. Hock-Heyl habe einen langen und mühsamen Weg gegen Widerstände beschritten.
Sie wolle beruflich neue Wege gehen, schreibt die "Augsburger Allgemeine" wenig später am 5. November 2013 und spekuliert über Schwierigkeiten des Unternehmens. Was hat ihr der Preis gebracht? Zumindest einen Eintrag bei Wikipedia.
Carmen Hock-Heyl gehört nicht zu den 1200 Gästen, die zum Festakt am kommenden Sonntag in Essen erwartet werden. Dann verleiht Bundespräsident Joachim Gauck die Umweltpreise der Deutschen Bundesstiftung Umwelt für 2015. Vorjahrespreisträger Gunther Krieg wird dabei sein. Der 72-Jährige hat für die Recycling-,Gas-, Getränke- und Druckindustrie sowie für Energieversorger gleich mehrere ressourcensparende Verfahren entwickelt. Der Eintrag zur Preisverleihung 2014 ist allerdings die letzte Pressemitteilung von Kriegs Unternehmen Unisensor. PR ist dem Chef nicht so wichtig. Eigen-PR erst recht nicht.
Private Entbehrungen
Diese höchste Auszeichnung, die er für sein Lebenswerk erhielt, habe er "stellvertretend für das gesamte Unternehmen Unisensor entgegengenommen", erzählt der Ingenieur Krieg. Wer seine Erfindung anwende, betreibe nicht nur Umweltschutz, sondern spare auch Kosten: "Unsere Drucksysteme haben sich nach drei Monaten amortisiert, berichten uns Kunden."
Seine Motivation sei meist höher als 100 Prozent gewesen. Er sei froh, dass seine Familie seine Begeisterung mitgetragen habe, obwohl seine Frau sehr gelitten habe, gibt der Seniorchef zu und schluckt. Er sei dankbar, dass seine Familie ihm ermöglicht habe, das Leben von Menschen ein bisschen besser zu machen.
Durch Ehrungen sei die Nachfrage nach seinem Know-How noch gestiegen. Gunther Krieg berät - wie viele andere Umweltpreisträger - das Bundesumwelt- und andere Ministerien und Landesbehörden. Er hält Vorträge und spüre, "dass der Preis Anerkennung bei Großkunden wie Nestlé oder Coca Cola findet." Beim Austausch mit Anderen ergeben sich meist neue interessante Kontakte, ist sich der Wissenschaftler und Unternehmer im Hinblick auf den Festakt am Sonntag sicher.
Dann werden die Kameras klicken, wenn der Moor-Ökologe Michael Succow für sein Lebenswerk ausgezeichnet wird und er dafür den mit 10.000 Euro dotierten Ehrenpreis erhält.
Europas höchstdotierte Auszeichnung und damit je 245.000 Euro erhalten der Stockholmer Nachhaltigkeits- und Klimaforscher Johan Rockström und der Kieler Meeres- und Klimaforscher Mojib Latif. Latif wird als herausragender Klimaforscher und Meeresexperte gewürdigt.
Unumstritten ist Latif nicht, wie hämische Kommentare in sozialen Netzwerken zeigen. Sie verunglimpfen den Meteorologen als Klima-Scharlatan und Betrüger: Seine Untersuchungen zur Erderwärmung werden als wissenschaftliche Wahrsagereien bezeichnet. Die Auszeichnung sei eine Aufmunterung, weiter zu machen, kommentiert Latif die Angriffe. Der Preis sei für ihn Ansporn: "Die Motivation haben mir die vielen Menschen gegeben, die sich für den Klima- und Umweltschutz einsetzen."
Umweltpreisträgerin Ursula Sladek hat ähnliche Erfahrungen gemacht. Nach der Nuklearkatastrophe in Tschernobyl gründete sie die "Bürgerinitiative Eltern für eine atomfreie Zukunft" und brachte mit ihrem Mann Michael den ersten deutschen Ökostromanbieter (EWS) auf den Markt. Auszeichnungen machten sie sehr stolz, gibt die im Schwarzwald lebende "Stromrebellin" zu. Sie hat auch erfahren, "dass jeder Erfolg Neider auf den Plan ruft. Damit muss man umgehen lernen." Einfach sei das nicht, aber bescheidenes Auftreten und Freundlichkeit gegenüber den Neidern helfe schon.
Kritik als Ansporn
"Kritik ist ein normaler Prozess", sagt Franz-Georg Elpers, Sprecher der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU). "Die Resonanz auf den Preis in den Medien ist sehr hoch und damit die Wahrnehmung für die Preisträger. Daher fühlen sich Skeptiker auch berufen, ihre Kritik verstärkt zu artikulieren."
Wer den Mut habe, neue Wege zu gehen, Ideen und Projekte voranzutreiben, laufe Gefahr, anzuecken und Misstöne zu ernten. Gerade kleine und mittelständische Unternehmen erhielten durch die Ehrung eines Mitbewerbers das Signal "Du bist nicht mehr auf der Höhe der Entwicklung", sagt Elpers.
Und das Preisgeld - verführt es nicht, sich Luxuriöses zu gönnen, zumal es nicht zweckgebunden eingesetzt werden muss? "Die meisten stecken das Geld in ihr Unternehmen oder in Forschungsprojekte. Mir ist nicht bekannt, dass sich jemand einen Porsche oder eine Yacht zugelegt hat", sagt DBU-Sprecher Elpers.
Gunther Krieg hat das Geld reinvestiert. Ein anderes Mal sei ein Mitbewerber geehrt geworden. "Ich war der Meinung, meine Mitarbeiter hätten die Auszeichnung auch verdient. Das Preisgeld in gleicher Höhe habe ich ihnen deshalb ausgezahlt - über Jahre verteilt. Es war so eine hohe Summe", sagt er.
Ursula Sladek hat die Prämie für ein Theaterprojekt gespendet, das Kinder an Energiesparen und Klimaschutz heranbringen wollte und die Energie-Genossenschaft mit Risikokapital unterstützt. "Ein Teil des Geldes ist noch vorhanden und wartet darauf, bei sinnvollen Projekten für die Umsetzung des Klimaschutzes eingesetzt zu werden." Mojib Latif hat auch schon eine Vorstellung: "Ich werde es sozialen Projekten zukommen lassen." Bestimmt werden seine Kritiker das überprüfen.