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UN-Charta: Erfolgsgeschichte mit Flecken

Klaus Dahmann23. Oktober 2005

Vor 60 Jahren trat die Charta der Vereinten Nationen in Kraft. DW-WORLD zeichnet die wichtigsten Stationen in der Geschichte der Weltorganisation nach.

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Hauptquartier in New YorkBild: dpa

Die Vorgänger-Organisation der Vereinten Nationen war kläglich gescheitert. Der Völkerbund, der nach dem Ersten Weltkrieg gegründet worden war, hatte einen großen Schwachpunkt: Die mächtigsten Staaten der Welt wollten nicht beitreten. Der Völkerbund schaute ohnmächtig zu, wie Deutschland und Japan den Zweiten Weltkrieg heraufbeschworen. Jeff Laurenti, UNO-Experte bei der Century Foundation, glaubt, dass sich der Erfolg der UN auch aus den Fehlern des Völkerbundes ableitet: "Die größte Lehre, die man aus dem Scheitern des Völkerbundes zu ziehen hatte, war, dass Großmächte wie die USA und die Sowjetunion nicht außen vor bleiben können, in der Erwartung, dass die Welt schon von alleine sicherer wird. Sie hatten versucht, sich aus dem Krieg anderer einfach herauszuhalten - und waren dann plötzlich selbst Ziel eines nichtprovozierten Angriffs geworden."

Lehren aus der Geschichte

Der Völkerbundpalast
Konnte den Weltkrieg nicht verhindern: Völkerbund in GenfBild: dpa

US-Präsident Franklin D. Roosevelt ergriff noch während des Krieges die Initiative: Er wusste, dass er für eine neue Weltorganisation starke Mitstreiter brauchte. Zuerst beriet er sich mit dem britischen Premier Winston Churchill, dann holte er auch China und die Sowjetunion an den Verhandlungstisch. Im September 1944 skizzierten sie die Grundzüge der Organisation, die ein knappes Jahr später in San Francisco gegründet wurde. Roosevelt schickte seinen Außenminister Edward Stettinius vor. Der beschwor damals eindringlich die Notwendigkeit der Weltorganisation: "Wir erinnern daran, dass Deutschland nur deshalb besiegt werden konnte, weil die vereinten Nationen ihre Kräfte gebündelt haben für die gemeinsame Sache. Und ein dauerhafter Frieden wird nur dann möglich sein, wenn sie ihre Kräfte vereinen, um Frieden zu schaffen. Die Weltorganisation, deren Charta wir hier zu schreiben uns versammelt haben, muss gegründet werden." Zwei Tage, bevor die letzten der 50 Gründerstaaten die Charta unterzeichnet hatten, trat diese am 24. Oktober 1945 in Kraft.

Konferenz von Jalta
Sicherten sich die Macht: Churchill, Roosevelt, StalinBild: AP

USA, Großbritannien, UdSSR: Machtsicherung

UN Sicherheitsrat
Machtzentrum der UN: SicherheitsratBild: AP

Roosevelt, Churchill und Stalin wollten unter allen Umständen verhindern, dass die Vereinten Nationen ihrer Kontrolle entgleiten konnten. Deshalb gaben sie der Generalversammlung, wo alle Mitglieder vertreten sind, kaum Vollmachten und schufen einen mächtigen Sicherheitsrat, wo sie selbst einen ständigen Sitz einnahmen. Dieser ständige Sitz war von Anfang an mit einem Vetorecht verbunden. Und das war für die Supermächte das Wichtigste, bilanziert Thomas Weiss, Politikwissenschaftler an der New Yorker City University: "Der Grund, warum die Vereinigten Staaten den Vereinten Nationen beigetreten sind und nicht Mitglied des Völkerbundes werden wollten, ist das Vetorecht. Das ist auch der Grund, warum die Sowjetunion in die UNO kam."

Blockade im Kalten Krieg

Die Anfänge der UNO waren viel versprechend: 1948 wurde die Deklaration der Menschenrechte verabschiedet - ein wichtiger Meilenstein des Völkerrechts. Doch aus den Kriegsverbündeten wurden nach und nach erbitterte Gegner - der Konflikt zwischen kommunistischer und freiheitlich-westlicher Welt spaltete den Sicherheitsrat. Das eigentlich machtvollste UN-Gremium war in der Sackgasse, weil die fünf ständigen Mitglieder häufig von ihrem Veto-Recht Gebrauch machten. Vor allem wenn die Großmächte USA und UdSSR selbst direkt betroffen waren, war die UNO wie gelähmt - bis Ende der 80er Jahre.

Weltweite Friedensmissionen

Mit dem Fall der Berliner Mauer und dem Ende des Ost-West-Konflikts endete die Zeit der Blockaden im Sicherheitsrat: Die fünf ständigen Mitglieder machten nur noch sehr selten von ihrem Vetorecht Gebrauch. Die UNO bekam plötzlich Aufwind. Das galt besonders für die Friedensmissionen. 1988 waren sie mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden. Danach wurde der Ruf nach Blauhelm-Soldaten immer öfter laut - und es wurden immer mehr Friedensmissionen ausgeschickt: Allein zwischen 1988 und 1993 gab es mehr Blauhelm-Einsätze als in den 40 Jahren zuvor. Die waren keineswegs nur Erfolgsgeschichten: Weder konnten Blauhelme den Bürgerkrieg in Somalia beenden noch das Morden in Ruanda verhindern, auch in Bosnien gerieten sie in die Kritik, weil sie das Massaker von Srebrenica vor ihren Augen geschehen ließen.

UN Freiwillige in Ost-Timor
UN-Friedensmission in Ost-TimorBild: UN

Dennoch haben zahlreiche Friedensmissionen Gutes bewirkt - vor allem dort, wo ihre Dienste beim Wiederaufbau der staatlichen Institutionen genutzt wurden. David Haeri hat für die Vereinten Nationen zahlreiche Missionen beobachtet und analysiert: "Es gibt eine ganze Reihe von Beispielen, wo die Menschen nach einer UN-Mission - trotz aller Probleme, die es zweifellos gab - nun wieder in Frieden leben: in Kambodscha, in Mosambik, in Mittelamerika, auch auf dem Balkan, zum Beispiel in Ostslawonien. Dort ist die Präsenz der UN-Friedenstruppen sehr wirkungsvoll gewesen."

Große Reform vorerst gescheitert

UN Generalsekretär Kofi Annan zu Irak
Scheiterte mit großer Reform: UN-Generalsekretär AnnanBild: AP

Im 60. Jahr ihres Bestehens sollten die Vereinten Nationen nun grundlegend reformiert werden - das war der Plan von Generalsekretär Kofi Annan. Doch der große UN-Gipfel im September beschloss nur einen kleinen Teil der Agenda: So soll es künftig eine eigene Kommission für Friedenseinsätze geben und ein neues Menschenrechtsgremium in Genf geschaffen werden. Die von einigen Staaten - unter ihnen auch Deutschland - vorangetriebene Sicherheitsratsreform ist vorerst auf Eis. Und ein ständiger Sitz für Deutschland in diesem höchsten UN-Gremium ist nun fraglicher denn je.