UN: Sicherheitskräfte in Venezuela foltern
30. August 2017Der Bericht zur Lage der Menschenrechte in Venezuela lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Said Raad al-Hussein, erklärte bei der Vorstellung des Dokuments in Genf, bei der Unterdrückung der regierungskritischen Proteste habe es Misshandlungen gegeben, "was in einigen Fällen Folter gleichgekommen ist". In dem Bericht wirft er der Regierung schwere Menschenrechtsverletzungen vor. Es werde "systematisch exzessive Gewalt angewandt, um Demonstrationen zu behindern, Widerspruch zu auszuschalten und Angst zu erzeugen", hieß es unter Berufung auf Augenzeugen. Es handle sich offenkundig nicht allein um illegale Handlungen einzelner Beamte. Said betonte vor Journalisten, die Demokratie in Venezuela sei "gerade noch am Leben, wenn sie überhaupt noch lebt".
Dem Bericht zufolge kamen von Anfang April bis Ende Juli bei den Protesten mindestens 124 Menschen ums Leben. Die inzwischen nach Kolumbien geflohene venezolanische Generalstaatsanwältin Luisa Ortega Díaz sei bei ihren Ermittlungen zu dem Schluss gekommen, dass 73 der Todesopfer auf das Konto von Sicherheitskräften oder regierungstreuen Milizen gingen. Bei den anderen Todesfällen waren die Ermittlungen noch im Gange, bevor Díaz floh. Die Regierung habe erklärt, es seien neun Mitglieder der Sicherheitskräfte ums Leben gekommen und vier weitere Menschen durch Demonstranten getötet worden. Im August seien sechs weitere Menschen umgekommen. Die Ermittler beklagen rund 2000 Verletzte.
Freilassung von Demonstranten gefordert
Mehr als 5300 Menschen seien zwischenzeitlich festgenommen worden. Mehr als 600 Häftlinge seien vor Militärtribunale gebracht worden. Bis Ende Juli seien noch mehr als 1000 Menschen in Haft gewesen. Die Regierung von Präsident Nicolas Maduro müsse willkürlich festgenommene Demonstranten freilassen, fordert Said.
Die Ermittler des UN-Hochkommissariats hatten von der Regierung Venezuelas keine Einreisegenehmigung erhalten. Sie führten 135 Interviews mit Opfern, deren Familien, Augenzeugen, Journalisten, Anwälten, Bürgerrechtlern und Ärzten.
Venezuela steckt seit 2015 in einer schweren politischen und wirtschaftlichen Krise. Das ölreiche Land leidet unter einer hohen Inflation sowie Engpässen bei Nahrungsmitteln und Medikamenten. Seit Monaten kommt es zu Massenprotesten gegen Präsident Nicolás Maduro. Diese flauten zuletzt allerdings ab, nachdem die Regierung harte Strafen angekündigt hatte. Die Opposition wirft Maduro vor, eine kommunistische Diktatur nach dem Vorbild Kubas zu installieren. Die Vereidigung der Verfassungsversammlung Anfang August war der jüngste Akt im Machtkampf zwischen der sozialistischen Regierung und der bürgerlichen Opposition, die das Parlament dominiert. Maduro spricht von einem bewaffneten Aufstand von Gegnern, die von den USA unterstützt würden und den Öl-Reichtum des Landes unter ihre Kontrolle bringen wollten.
Prozesse wegen "Landesverrats"?
Derweil drohte die Regierung in Caracas mit Blick auf die jüngsten US-Wirtschaftssanktionen gegen Venezuela, einige Oppositionelle wegen Landesverrats vor Gericht stellen. Die Mitglieder der verfassunggebenden Versammlung beschlossen einstimmig ein entsprechendes Dekret, in dem sie einen "historischen Prozess wegen Landesverrats" ankündigen. Den Oppositionellen wird vorgeworfen, öffentlich für Sanktionen plädiert und die USA um "militärische Einmischung im Land" gebeten zu haben. Während der Debatte der Verfassungsversammlung am Dienstag wurde ein Kommuniqué des Oppositionsbündnisses MUD zitiert, das die Strafmaßnahmen durch die US-Regierung begrüßt.
Bisher gab die Regierung nicht bekannt, welche Oppositionellen des Verrats beschuldigt werden. Medienberichten zufolge handelt es sich unter anderem um den Kongresspräsidenten Julio Borges, der der "Erstickung der venezolanischen Wirtschaft" beschuldigt wird. Die USA haben Ende vergangener Woche gegen die Regierung Venezuelas weitere Wirtschaftssanktionen verhängt. Diese verbieten unter anderem den Handel mit bestimmten Staatsanleihen Venezuelas. Ziel ist es, es für die Regierung in Caracas schwieriger zu machen, an frisches Geld zu kommen.
kle/uh (dpa, rtr, epd)