Und wieder droht der Grexit
13. Februar 2017Die Situation ist seit Jahren gleich: Dem überschuldeten griechischen Staat geht regelmäßig das Geld aus. Griechenland droht die Pleite und der Austritt aus der Währungsunion. Griechische Regierungsvertreter und die Gläubiger drohen, flehen, streiten bis zur letzten Minute - und am Ende zahlen die Geldgeber dann doch.
Zuletzt war das im Sommer 2015 so, als Griechenland sein bisher drittes Hilfspaket im Wert von 86 Milliarden Euro bekam. Es läuft bis voraussichtlich 2018. Die einzelnen Tranchen werden aber nur ausgezahlt, wenn Griechenland die Bedingungen dafür erfüllt, also Sparkurs und Reformen umsetzt. Aber daran hapert es. Im Sommer stehen für Athen Schuldenrückzahlungen in Höhe von mehr als sechs Milliarden Euro an. Diese können nur beglichen werden, wenn weitere Zahlungen freigegeben werden. Ob das passiert, ist diesmal unsicherer denn je.
Wichtige Wahlen in Europa
Zwei Dinge sind heute anders als früher. Einmal hat sich der Internationale Währungsfonds (IWF) im Gegensatz zu den Hilfspaketen Nummer eins und zwei nicht beteiligt. Denn, so IWF-Europadirektor Poul Thomsen: "Wir glauben nicht, dass die Schuldenlast für Griechenland tragfähig ist." Mit anderen Worten: Der Währungsfonds verlangt als Bedingungen für seine Beteiligung, dass jemand Griechenland einen Teil der Schuldenlast abnimmt.
Dafür kommen nur die anderen Euro-Länder infrage. Nur, und das ist der zweite Grund: Das politische Klima hat sich völlig geändert. In Europa blüht der Rechtspopulismus, der sich auch gegen die EU und den Euro richtet; und in gleich mehreren wichtigen EU-Ländern wird dieses Jahr gewählt, darunter in Frankreich, wo die rechte Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen aus dem Euro aussteigen will, und in Deutschland, wo viele Menschen den Eindruck haben, die Bundesregierung habe schon genug Steuergeld in ein Fass ohne Boden geworfen. Markus Will, Wirtschaftswissenschaftler von der Universität St. Gallen in der Schweiz, meint gegenüber der Deutschen Welle: "Vor der Präsidentschaftswahl in Frankreich und der Bundestagswahl in Deutschland kann man keine Lösung erwarten."
Schulz verteidigt Griechenland
Ganz im Wahlkampfmodus, gibt sich der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble hart. In der TV-Sendung "Maischberger" forderte er jetzt von Griechenland weitere Reform- und Sparanstrengungen, sonst könne das Land "nicht in der Währungsunion bleiben". Das Land leiste sich "einen höheren Lebensstandard, als es erwirtschaftet". Die niederländische Zeitung "de Volkskrant" plädiert sogar jetzt schon für einen Ausstieg Griechenlands aus der Währungsunion. Das verliehene Geld sei ohnehin weg, und für die Wähler sei das "leichter zu verdauen", wenn Griechenland "zeitweise die Eurozone verlässt".
Dagegen meint der SPD-Kanzlerkandidat und frühere Präsident des Europaparlaments Martin Schulz in der Zeitung "Die Welt": "Wer jetzt mit dem Grexit liebäugelt, spielt mit der Spaltung des Kontinents. Das ist vielleicht im Interesse von Donald Trump oder Marine Le Pen. Aber ganz sicher nicht im Interesse Deutschlands und Europas." Und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker lobt die Griechen im Deutschlandfunk für ihre Reformbereitschaft: "Kein Land hat größere Wettbewerbsfortschritte erreicht als Griechenland."
Auch der Oppositionsführer will Schuldenerleichterungen
Das wird der linke griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras gern gehört haben. Er hat Bundeskanzlerin Angela Merkel bereits aufgefordert, ihren Finanzminister im Zaun zu halten, weil der eine "permanente Aggressivität" gegenüber Griechenland an den Tag lege. Tsipras sitzt aber auch der Volkszorn seiner Landsleute im Nacken. Als er vor gut zwei Jahren an die Macht kam, war er noch der Schrecken aller Gläubiger, weil er sich den Sparforderungen einfach widersetzt hatte. Längst hat er aber doch vieles durchgesetzt, zuletzt zum 1. Januar neue Steuererhöhungen.
Seine Popularität hat das nicht gerade erhöht. Die Griechen gehen auf die Barrikaden, Streiks und Proteste sind an der Tagesordnung. Die konservative Opposition ist in den Umfragen deutlich an Tsipras vorbeigezogen. Kyriakos Mitsotakis, der neue Chef der Nea Dimokratia, hatte an diesem Montag einen Termin bei Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin. Allerdings hat die Nea Dimokratia zusammen mit der sozialdemokratischen Pasok das Land durch jahrzehntelange Misswirtschaft selbst in die Krise geführt. Und Mitsotakis fordert genauso wie Tsipras weitere Schuldenerleichterungen - nur etwas netter.
Schlechter Zeitpunkt
Neben dem deutschen Finanzminister Schäuble erwarten andere Geberländer von Griechenland, dass es auf Dauer einen Haushaltsüberschuss von 3,5 Prozent erwirtschaftet - nach Abzug des Schuldendienstes. Unmöglich findet das Tsipras. Aber auch Oppositionsführer Mitsotakis sagt: "Sie werden wenige Experten finden, die glauben, dass dies zu erreichen ist." Mitsotakis hält zwei Prozent für machbar. Markus Will findet, Griechenland müsse weitere tiefgreifende Reformen wie eine Rentenreform anpacken, aber selbst dann gilt für den Wirtschaftswissenschaftler: "Ohne eine Schuldenerleichterung können die Griechen nicht auf einen gesunden Wachstumspfad zurückkehren."
Das sehen viele Experten genauso, nicht nur die vom IWF. Und vielleicht sehen das auch die Finanzminister Deutschlands, der Niederlande und Frankreichs so. Das Pech für die Griechen ist nur, dass keiner von ihnen im Moment vor den Wählern als nachgiebig auftreten darf. "Der Zeitpunkt dieser jüngsten Runde der griechischen Tragödie", so der Volkswirt Michael Every von der niederländischen Rabobank, "könnte schlechter kaum sein".