Die Stunde der Wintervögel
31. Januar 2015Rund 70.000 Tierfreunde haben auch in diesem Jahr wieder mitgemacht, und unsere heimischen Vögel in Gärten oder naheliegenden Parks beobachtet. Warum? Der Naturschutzbund (NABU) hatte zur Vogelzählung aufgerufen. Bei der "5. Stunde der Wintervögel" notierten die Freiwilligen genau, welche Arten und wie viele davon sich innerhalb von einer Stunde in den Siedlungsgebieten blicken ließen.
Citizen Science für den Artenschutz
Zur Teilnahme musste man jedoch keineswegs ein Artenexperte sein. Um es den Bürgern leicht zu machen, hatte der NABU online eine genaue Anleitung mit Zählhilfe zur Verfügung gestellt. Ob Amsel, Bergfink, Kohlmeise oder eine "andere Art", jede ist darauf mit Foto und Ankreuzkästchen vermerkt. So einfach kann Citizen Science sein.
Den aktuellen Zählstand konnte man dann online jederzeit mitverfolgen. Dort gibt es ein Ranking der aktuell führenden Vogelarten.
Sinn und Zweck
Der NABU möchte durch diese regelmäßigen, großen Zählaktionen mehr über die Bestandsentwicklung der häufigsten Gartenvögel in Deutschland erfahren. Und es funktioniert.
Bei der letzten Stunde der Wintervögel im Januar 2014 wurden an einem Wochenende insgesamt mehr als zwei Millionen Vögel gezählt. Der Haussperling - auch einfach nur Spatz genannt - wurde dabei am häufigsten gesichtet. Die Kohlmeise folgte auf Platz zwei, der Feldsperling belegte den dritten Platz am Treppchen. An dieser Zählung beteiligten sich rund 76.000 Freiwillige.
Aktuelle Zählung
"In diesem Jahr hat sich an den Zahlen nicht sehr viel verändert", sagt Eric Neuling vom NABU in Berlin. Rund zwei Millionen Vögel und 70.000 freiwillige Vogelzähler. Er ist aber trotzdem sehr zufrieden - es gebe keinen bedenklichen Rückgang oder dergleichen unter den Vögeln im Vergleich zum Vorjahr.
Dass die Meise sich nicht so häufig gezeigt hat, war abzusehen, sagt Neuling. "In so einem milden Winter wie diesem kommen weniger Meisen aus dem Norden und Osten nach Deutschland." Und außerdem halten sie sich generell nicht so häufig in Gärten auf, wenn sie auch woanders ausreichend Nahrung finden. Da ist der Sperling zutraulicher.
Besonders auffällig in diesem Jahr ist jedoch der Star. "Dass ein gewisser Anteil der Stare den Winter über nicht wegzieht, ist ganz normal", sagt Neuling, "dieses Jahr wurden aber doppelt so viele Stare in Deutschland beobachtet wie im Vorjahr."
Die Auswirkungen des milden Winters
Normalerweise würde es ihn im Winter nach Frankreich, oder in den südlichen Raum der Alpen ziehen. Nur ein paar Stare bleiben im Südwesten Deutschlands. "Weil es dort generell immer noch etwas milder ist als in Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern", erklärt der NABU-Experte.
Der überraschende Verbreitungsschwerpunkt der Stare in diesem Jahr: Der Voralpenraum. "Auch das kann man ganz klar auf den milden Winter schieben", sagt Neuling. Denn der Star weiche normalerweise den kalten Temperaturen aus.
Wer ebenfalls von den kalten Temperaturen in seiner Heimat flieht, sind die Seidenschwänze. Sie kommen jedoch nach Deutschland - aus noch kälteren Regionen wie Nordskandinavien. Typische deutsche Wintergäste. In diesem Jahr habe es jedoch keine nennenswerte Ansammlung von den Vögeln gegeben. "Das liegt daran, dass die Futterversorgung in der Heimat den Winter über so günstig war. Den Vögeln erschien es nicht notwendig, weiter nach Süden zu ziehen," so Neuling.
Das Sorgenkind des Jahres
Ein besonderes Augenmerk lag in diesem Jahr auf dem Grünfinken (Platz sechs). "Weil er seit Beginn der Aktion, nun das fünfte Mal in Folge, stetig abnimmt", sagt Neuling. Der Bestand ist heute rund 40 Prozent niedriger als noch vor wenigen Jahren. Auch in diesem Jahr ist die Anzahl wieder zurückgegangen. "Der einzellige Parasit "Trichomonas gallinae" ist Schuld daran. Der lauert vor allem in Vogelfutterstellen und -tränken." Dort wo viele Vögel zusammenkommen, ist die Infektionsgefahr besonders groß. Andere Vogelarten sind für diese Bakterien jedoch nicht so anfällig, erklärt Neuling.
Doch dagegen könne man etwas tun. "Man muss darauf achten, dass die Fütterung möglichst hygienisch ist", erklärt Neuling. Also keine offenen, ausgestreuten Saatkörner, in denen die Vögel herumlaufen, sie verkoten - sondern Futtersilos oder vergitterte Futterspender. "Das sind gute Maßnahmen, mit denen jeder helfen kann, den Grünfinken zu schützen." Ob das fruchtet, wird sich im nächsten Jahr zeigen.
Die nächste Vogelzählung steht auch schon fest. Am ersten Maiwochenende schlägt dann die "Stunde der Gartenvögel".