Pakistan bekommt wieder Militärgerichte
6. Januar 2015Drei Wochen nach dem Schulmassaker der Taliban in Pakistan hat das Parlament (Artikelbild) die Wiedereinführung von Militärgerichten für Terrorverdächtige beschlossen. Mit 247 der 342 Abgeordneten erhielt der entsprechende Verfassungszusatz mehr als die erforderliche Zweidrittelmehrheit. Nach der Verfassungsänderung haben Verdächtige, die von Militärgerichten verurteilt werden, kein Recht auf Berufung. Die geplanten Tribunale könnten jede Person strafrechtlich verfolgen, die bewiesenermaßen oder mutmaßlich einer terroristischen Organisation angehört, die im Namen einer Religion handele, berichtet die Zeitung "Dawn". Die für ihre harten Strafen berüchtigten Militärgerichte waren 2002 abgeschafft worden.
Premierminister Nawaz Sharif verteidigte die von Menschenrechtlern kritisierte Änderung. Er kündigte vor der Abstimmung im Parlament an, die Militärgerichte würden für zwei Jahre errichtet und sich nur um Terror-Fälle kümmern. Sie seien "eine außerordentliche Maßnahme für eine außergewöhnliche Bedrohung".
Innenminister Chaudhry Nisar Ali Khan hatte das Gesetz am Montag bei der Parlamentsdebatte verteidigt und erklärt, Militärgerichte seien notwendig, weil sich das Land in einer kriegsähnlichen Situation befinde. Zivile Gerichte seien nicht in der Lage, Prozesse gegen Terroristen zu führen, weil sie und ihre Familien bedroht würden. Er verwies darauf, dass die Tribunale nur ein begrenztes Mandat haben würden. "Sie werden nicht gegen Politiker, Geschäftsleute, Medienvertreter oder gewöhnliche Bürger genutzt", versicherte er. Voraussichtlich wird der Senat der Neuregelung am Mittwoch zustimmen. Ende der Woche könnte sie von Präsident Mamnoon Hussain in Kraft gesetzt werden.
"Bittere Pille"
Das Gesetz ist umstritten, unter anderem, weil es dem Militär mehr Macht gibt und Pakistan ohnehin eine lange Tradition von Militärputschen und -regierungen hat. "Die bittere Pille dieses neuen Gesetzes wird für die Sicherheit Pakistans geschluckt", sagte Oppositionsführer Syed Khursheed Ahmed Shah vor der Abstimmung. Kritiker befürchten, dass Unschuldige ohne unabhängige Untersuchung verurteilt und hingerichtet werden. Auch religiöse Parteien wandten sich gegen das Gesetz, weil es in ihren Augen zu Verfolgung religiöser Gruppen eingesetzt werden kann.
Die Regierung in Islamabad reagiert mit der Initiative auf eine Reihe blutiger Anschläge der Taliban in jüngster Zeit. Besonders der Überfall auf eine Schule in Peschawar erschütterte das Land. Dabei wurden am 16. Dezember 152 Menschen getötet, unter ihnen 136 Schüler. Das Massaker hatte weltweit Entsetzen ausgelöst. Nach dem Anschlag von Peschawar beendete Premierminister Nawaz Sharif ein sechs Jahre altes Moratorium auf die Todesstrafe im Fall terroristischer Straftaten. Seither wurden sieben Todesurteile vollstreckt. Informationsminister Pervaiz Rashid kündigte zwei weitere Hinrichtungen für Mittwoch an.
Militär erhöht Druck
Die Armee verstärkte nach dem Schulmassaker ihre Angriffe auf die Rebellen. Am Samstag wurden bei Angriffen der Luftwaffe im Nordwesten Pakistans nach Armeeangaben mehr als 30 Aufständische getötet. Am Montag setzten die Behörden auf einen Anführer der radikalislamischen Taliban ein Kopfgeld in Höhe von zehn Millionen Rupien (83.000 Euro) aus. Die Belohnung werde für Hinweise ausgelobt, die zur Ergreifung oder Tötung des Tehreek-e-Taliban-Anführers Mullah Fazlullah führten, sagte ein hochrangiger Vertreter der Regierung der Unruheprovinz Khyber-Pakhtunkhwa im Nordwesten Pakistans. Die Regierung setzte demnach 615 Aufständische auf die Fahndungsliste und lobte Kopfgelder in einer Gesamthöhe von 760 Millionen Rupien auf sie aus. Ebenfalls am Montag kündigte Fazlullah in einem Internetvideo weitere Angriffe auf Kinder an.
kle/sti (afp, kna, rtre, dpa)