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Unternehmen klagen auf hohem Niveau

Sabine Kinkartz4. Februar 2014

Eigentlich hat die deutsche Wirtschaft keinen Grund zum Klagen. Die Geschäfte laufen gut, die Auftragsbücher sind gefüllt - wenn nur die Politik nicht wäre, klagt der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK).

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Symbolbild Konjunktur Wirtschaft Herbstgutachten
Bild: picture-alliance/dpa

Wenn es eins gibt, was Unternehmen nicht mögen, dann ist es Unsicherheit. Was bleibt, was kommt, was ändert sich? Mit dem Koalitionsvertrag hat die neue Bundesregierung diese Fragen eigentlich geklärt. Und doch tut sich die Wirtschaft beim Blick auf die langfristige Entwicklung schwer. "Wir machen keine Prognosen für das nächste Jahr", wiegelt der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Martin Wansleben, bei der Präsentation der aktuellen Konjunkturumfrage ab.

Eine Einschätzung gibt es lediglich für 2014 und da gibt der DIHK mit einem Wachstumsplus von zwei Prozent einen recht optimistischen Ausblick. Auch wenn Wansleben vor der Bekanntgabe kurz zögert: "Wir haben nochmal überlegt, ob wir mit unserer Prognose richtig liegen oder nicht, denn einiges von dem, was die Politik auf den Weg bringen will, ist dazu angetan, wirtschaftliche Entwicklung durchaus zu verlangsamen." Man müsse aufpassen, denn das werde sicherlich auch passieren, wenn die Bundesregierung bei ihren Plänen bleibe. "Aber das Jahr 2014 kann davon noch verschont sein und deswegen machen wir jetzt hier nicht auf Moll."

Exportwirtschaft boomt

Das würde auch nicht zu den aktuellen Zahlen passen. Die 27.000 zu Jahresbeginn befragten Unternehmen sind nämlich grundsätzlich durchaus zufrieden. Die Exporterwartungen steigen auf den höchsten Wert seit zweieinhalb Jahren. In Europa und vor allem in den USA laufen die Geschäfte wieder deutlich besser.

Die wirtschaftliche Krise in manchen Schwellenländern hat für die deutsche Exportwirtschaft noch wenig Auswirkungen. Von den "Fragilen 5", wie die Türkei, Brasilien, Indien, Südafrika und Indonesien genannt werden, ist nach Ansicht des DIHK die Türkei für Deutschland am wichtigsten. "Wir können es uns nicht leisten, dass es dem Land schlecht geht", meint Martin Wansleben.

Martin Wansleben
Mahnend erhobener Finger: DIHK-Hauptgeschäftsführer WanslebenBild: picture-alliance/dpa

Neben den exportierenden Unternehmen blickt in Deutschland vor allem die Bauwirtschaft gut gestimmt nach vorne und in den Konsumbranchen laufen die Geschäfte bereits seit mehr als einem Jahr rund. Trotzdem zögern viele Unternehmen, zu investieren und mehr Arbeitsplätze zu schaffen. "Da läuft noch eine gewisse Verunsicherung - nach dem Motto: Kann man dem Braten jetzt trauen, geht es wirklich richtig hoch?", analysiert der Volkswirt Wansleben.

Akuter Fachkräftemangel

Dazu kommen potenzielle Geschäftsrisiken. Drei von vier befragten Unternehmen nennen die hohen Energiekosten, gefolgt von den steigenden Arbeitskosten und dem inzwischen überall deutlich spürbaren Fachkräftemangel. Während vor vier Jahren noch lediglich 17 Prozent der Unternehmen darüber klagten, dass sie nicht ausreichend qualifizierte Fachkräfte finden, sind es inzwischen über alle Branchen hinweg 37 Prozent. Besonders betroffen sind personalintensive Dienstleister wie das Gastgewerbe, der Gesundheitssektor und Anbieter von Zeitarbeit, bei denen drei von vier Betrieben klagen.

Vor diesem Hintergrund, so kritisiert DIHK-Hauptgeschäftsführer Wansleben, seien die Rentenpläne der Bundesregierung geradezu anachronistisch. "Gemessen an unserem Ziel, Rente mit 67, ist die Rente mit 63 eine Frühverrentung."

Deutsche wollen früher in Rente

Deutschland habe heute schon die älteste Bevölkerung Europas. "Wir ignorieren offensichtlich vorsätzlich die Realität und sagen, wir können es uns dennoch leisten." 50.000 Menschen pro Jahr zusätzlich würden nach den neuen Plänen in Rente gehen. "Das können wir uns mengenmäßig nicht leisten und auch von der Einstellung her nicht", so Wansleben.

Der Haarschnitt wird teurer

Auf wenig Zuspruch trifft beim DIHK auch die geplante Einführung des flächendeckenden Mindestlohns von 8,50 Euro pro Stunde. In Branchen wie dem Taxigewerbe, der Sicherheitswirtschaft, bei Reinigungsbetrieben und dem Einzelhandel werde das zu strukturellen Veränderungen führen. "Nun kann man als Volkswirt natürlich sagen, was soll's, dann scheiden eben Unternehmen aus, gehen insolvent, Arbeitsplätze fallen weg und dann regelt sich das wieder neu ein. Aber aus Sicht der einzelnen Unternehmen, die wir hier fragen, bleibt das eine wirkliche Herausforderung."

Denn es stelle sich die Frage der Profitabilität. Am Ende komme es ganz darauf an, wie die Kunden reagieren würden, sagt Wansleben. Wer für die Zahlung eines Mindestlohns sei, der müsse auch bereit sein, beim Friseur oder im Restaurant eine höhere Rechnung zu begleichen.