Keine Haftungsunion
11. September 2011Wenn ein Projekt geplant ist, das mit einem gewissen Risiko verbunden ist, wenn also beispielsweise im dicht besiedelten Hamburg ein Tunnel gebaut werden soll, dann wird so etwas sehr sorgfältig angegangen. Hunderte Ingenieure prüfen Sand und Gestein, erkunden den Wasserstand und errechnen mit anderen Experten Szenarien, was unter welchen Umständen passieren könnte. Es steht schließlich einiges auf dem Spiel.
Ganz ähnlich, so vermutet Unternehmer Michael Moritz, müsste es doch eigentlich auch im Berliner Regierungsviertel beim Projekt Euro-Rettung ablaufen. "Wir haben uns gedacht, da müsste es doch eigentlich so einen Krisenstab mit 100 oder 200 Leuten geben", sagt Moritz, und die müssten eigentlich Szenarien für einen Schuldenschnitt berechnen: "Was passiert bei 20 Prozent, was bei 30 Prozent, was passiert mit Griechenland und Portugal?" Weit gefehlt: ganze vier Leute gebe es für solche Berechnungen im Finanzministerium. Begründung: Dafür sei die Europäische Zentralbank zuständig, das seien die Experten.
Krisenmanagement sieht anders aus
Doch die EZB habe erst vor einem Monat bei der Deutschen Bank, bei Barclays und der Royal Bank of Scotland um Beratung angefragt, was im Fall einer Staatsinsolvenz passieren könne, erzählt Moritz: "Das löst bei mir nicht unbedingt große Beruhigung aus." Unter professionellem Krisenmanagement verstehen die deutschen Familienunternehmer etwas anderes.
Seit eineinhalb Jahren, so kritisieren sie, halte die europäische Schuldenkrise die Welt in Atem. Eineinhalb Jahre, in denen keine nachhaltige Lösung gefunden worden sei und stattdessen mit dem Rettungsschirm EFSF und der Ankündigung eines permanenten Rettungsschirms ESM ein Verfahren eingeleitet worden sei, das geradewegs in eine Haftungsunion führe.
Die Unternehmer schlagen Alarm - und wissen dabei auch Bundestagsabgeordnete wie den FDP-Politiker Frank Schäfler auf ihrer Seite. "Dieser Rettungsschirm, den wir am 29. September verabschieden werden, wird nicht der letzte sein. Auch danach werden die Marktteilnehmer die Politik dazu zwingen und sie faktisch erpressen, noch größere Dammbrüche zu verhindern."
Die Dinge seien nicht zu Ende gedacht, sagt der studierte Betriebswirt Schäfler. Er berichtet von einem enormen Druck auf die Parlamentarier. Ständig werde mit Angst und Untergangsszenarien argumentiert, für eine wirkliche Debatte über den richtigen Weg bleibe keine Zeit.
Anreiz zum Nichtstun
Das kritisiert auch Lutz Goebel, der Präsident des Verbandes 'Die Familienunternehmer'. Die Euro-Zone mit immer größeren Rettungsschirmen stabilisieren zu wollen, bezeichnet er als Irrsinn. Auch Staaten müssten für ihre Schulden selbst haften und im schlimmsten Fall eben in die Insolvenz gehen. Die Warnung, dass der Zahlungsausfall eines Euro-Landes in der Finanzwelt die gleiche Katastrophe auslösen würde wie die Pleite der Lehman-Bank, sei reine Panikmache, um dem Steuerzahler die Zeche aufbürden zu können.
Es sei sinnvoller, notfalls einige Banken und Versicherungen zu retten, als den verschuldeten Euro-Staaten mit einem Rettungsschirm zu signalisieren, dass sie sich beruhigt zurücklehnen könnten, ist Goebel überzeugt. "Das ist ein riesiger Anreizmechanismus, dass alle Länder am liebsten unter den Rettungsschirm kommen würden. Es ist schön billig, so billig kann man selber gar nicht an Kredite kommen." Das sei so, als würde man einem Drogenabhängigen vorwerfen, er richte sich zugrunde, aber für eine Weile übernehme man die Kosten für den Dealer.
Die Familienunternehmer fordern daher vom Deutschen Bundestag, die Ausweitung des Euro-Rettungsschirms erst einmal abzulehnen. Die Verträge müssten dringend nachgebessert werden. In allen nationalen Verfassungen müsse eine Schuldenbremse und eine Gläubigerbeteiligung verankert werden. Nur so könnten immer neue Schulden gestoppt werden. Damit das Fass, so sagt der Unternehmer Lutz Goebel, endlich wieder einen Boden bekomme.
Autorin: Sabine Kinkartz
Redaktion: Rolf Wenkel