US-Demokraten reichen Resolution ein
11. Januar 2021Die Demokraten wollen nach der Erstürmung des Kapitols in Washington eine mögliche Amtsenthebung Donald Trumps nun mit Blitzgeschwindigkeit vorantreiben. Zunächst wurde Vizepräsident Mike Pence noch eine letzte Frist eingeräumt, um Schritte zur Absetzung Trumps einzuleiten, wie die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, mitteilte.
Grundlage ist ein Zusatzartikel der Verfassung, wonach der Vizepräsident gemeinsam mit einer Mehrheit wichtiger Kabinettsmitglieder den Präsidenten für unfähig erklären kann, "die Rechte und Pflichten des Amtes auszuüben". Die Chancen scheinen gering: Pence hat sich zuletzt zwar von Trump distanziert. Allerdings hat er bislang nicht zu erkennen gegeben, dass er zu Trumps Absetzung bereit sein könnte. Sollte Pence nicht binnen 24 Stunden reagieren, werde das Repräsentantenhaus ein parlamentarisches Amtsenthebungsverfahren einleiten.
Noch in dieser Woche könnte das Repräsentantenhaus die Eröffnung beschließen, die notwendige einfache Mehrheit ist absehbar. Das Verfahren selbst - das einem Gerichtsprozess ähnelt - würde dann vom Senat geführt, der anderen Kammer im Kongress. Der Senat kommt jedoch erst am 19. Januar wieder zusammen. Nach den Impeachment-Regeln könnte das Verfahren frühestens am 20. Januar um 13.00 Uhr beginnen. Eine Stunde vorher endet Trumps Amtszeit mit Bidens Vereidigung.
Die Demokraten werfen dem abgewählten Präsidenten eine Mitverantwortung für die Erstürmung des Kongresses durch Randalierer am vergangenen Mittwoch vor. Kurz vor dem Angriff hatte Trump bei einer Kundgebung seinen völlig unbelegten Vorwurf von massivem Betrug bei der Präsidentschaftswahl im November wiederholt und seine Anhänger zum Marsch auf den Kongresssitz aufgefordert.
Welches Ziel verfolgen die Demokraten?
Wenn der Senat ein Urteil fällen würde, wäre die Ära Trump also schon Geschichte. Das Vorgehen der Demokraten erscheint daher auf den ersten Blick symbolisch, doch es steckt mehr dahinter: Die Resolution sieht nicht nur vor, Trump des Amtes zu entheben - sondern in einem zweiten Schritt auch, ihn lebenslang für alle Regierungsämter zu sperren. Es wäre das Ende des Politikers Trump, der ansonsten 2024 ein weiteres Mal für die Präsidentschaft kandidieren könnte.
Allerdings sind die Erfolgsaussichten der Demokraten gering. In der Geschichte der USA ist noch nie ein Präsident des Amtes enthoben worden. Auch Trump wurde im vergangenen Februar bei seinem ersten Verfahren wegen der sogenannten Ukraine-Affäre vom Senat freigesprochen, weil seine Republikaner damals noch eine Mehrheit in der Parlamentskammer hatten.
Die Ämtersperre kann nicht alleine beschlossen werden - erst müsste der Senat mit einer Zweidrittelmehrheit für eine Amtsenthebung stimmen. Das ist nicht absehbar, zumindest noch nicht: Denn auch unter republikanischen Senatoren nimmt die Kritik an Trump zu. Seit dem Wochenende fordern zwei von ihnen offen den Rücktritt des Präsidenten, ein dritter will die Anklage des Repräsentantenhauses zumindest in Erwägung ziehen. Senator Pat Toomey begründete seine Rücktrittsforderung am Sonntag im Sender CNN damit, dass Trump seit der Wahlniederlage auf "eine Ebene des Wahnsinns" abgestiegen sei, die unverzeihlich und früher undenkbar gewesen sei.
Ein Amtsenthebungsverfahren könnte auch Trumps Mitstreiter im Kongress in Erklärungsnot bringen, sollten sie das Verhalten des abgewählten Präsidenten weiter verteidigen. Mehrere Konzerne wie die Hotelkette Marriott und die Großbank JPMorgan Chase haben bereits erklärt, kein Geld mehr an die fast 150 Republikaner zu spenden, die sich geweigert hatten, das Ergebnis der Präsidentenwahl, also Bidens Sieg zu zertifizieren.
Angst vor Atomschlag
Die Demokraten sehen in der Eröffnung des Amtsenthebungsverfahrens auch eine Art Vorratsbeschluss: Sollte Trump sich weitere schwere Vergehen leisten, könnte der Senat schon vor dem 19. Januar zusammenkommen, um sofort ein Blitz-Verfahren zu beginnen - wenn alle 100 Senatoren dem zustimmen. Die Demokraten warnen, jeder Tag, den Trump im Amt verbleibt, sei eine Gefahr fürs Land. Die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, beriet sich nach ihren Angaben vom Freitag bereits mit der Führung der Streitkräfte, um einen "instabilen Präsidenten" daran zu hindern, "Militärschläge zu beginnen" oder einen "atomaren Angriff" zu befehlen.
Nicht zuletzt wollen die Demokraten ein Impeachment-Verfahren auch deswegen einleiten, weil sie ein Exempel statuieren möchten. Der linke Senator Bernie Sanders sagte: "Es muss klargestellt werden, dass kein Präsident, jetzt oder in Zukunft, einen Aufruhr gegen den amerikanischen Staat anführen kann." Viele US-Amerikaner wollen Trump sofort loswerden. In einer am Sonntag veröffentlichten Umfrage des Senders ABC sagten 56 Prozent, Trump solle noch kurz vor Schluss des Amtes enthoben werden. Weitere 19 Prozent sind nur deswegen dagegen, weil der Präsident ohnehin bald ausscheidet. Lediglich 23 Prozent sprachen sich gegen ein Impeachment aus, weil Trump in der Woche der verhängnisvollen Kapitol-Krawalle nichts falsch gemacht habe.
hf/nob/as (afp, dpa)