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Konservative Krise

Michael Knigge21. November 2012

Nach zwei verlorenen Präsidentschaftswahlen in Folge würde man erwarten, dass die Republikanische Partei ihren konservativen Kurs überdenkt und in die Mitte rückt. Doch das ist schwierig und langwierig.

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Der republikanische Vizepräsidentschaftskandidat Paul Ryan (Foto: Charles Dharapak/AP)
Bild: dapd

Die meisten von uns kennen das Problem: Eigentlich sollten wir dringend abnehmen, aber der Kuchen sieht einfach zu lecker aus. Eigentlich sollten wir jetzt wirklich mit dem Rauchen aufhören, aber erst rauchen wir noch diese letzte Schachtel auf. Eigentlich sollten wir endlich die Steuererklärung machen, aber zuerst müssen wir wissen, wie der Film ausgeht, den wir morgen wieder in der Videothek abgeben müssen.

Wer sich schon mal mit diesen oder ähnlichen Problemen herumgeschlagen hat, hat eine Ahnung von dem, was die Republikanische Partei nach zwei verheerenden Wahlniederlagen gerade durchlebt. Sich Fehler einzugestehen tut weh. Und noch schwerer ist es, anschließend das Fehlverhalten auch wirklich zu ändern.

Weiße Wähler kein Garant für Wahlsieg

Vielleicht erklärt das auch die Aussage des Wahlverlierers Mitt Romney, der kurz nach der Wahl verkündete, Barack Obama habe gewonnen, weil er wichtigen Wählergruppen der Demokraten "Geschenke" gemacht habe. Fakt ist jedoch, dass Obama praktisch alle wichtigen Wählergruppen - Frauen, Hispanics, Afro-Amerikaner, jüngere Wähler und Katholiken - für sich gewinnen konnte. Die einzige wichtige Wählerschicht, die mehrheitlich für Romney stimmte, waren weiße Amerikaner. Doch das allein reichte nicht, um die Wahl 2012 zu gewinnen. Und wegen des sinkenden weißen Bevölkerungsanteils der USA wird es auch künftig nicht mehr möglich sein, allein durch die Stimmen der weißen Amerikaner Präsident zu werden.

Anhänger Mitt Romneys(Foto: Joe Raedle/Getty Images)
Die republikanische Basis ist überwiegend weiß - aber das wird in den nächsten Jahren nicht mehr ausreichenBild: Getty Images

Zwar widersprachen einige bekannte Republikaner Romneys Rechtfertigungsversuch, Obama habe Wählergruppen mit Geschenken gekauft, mit dem Hinweis, ihre Partei müsse alle Amerikaner ansprechen, statt sie zu beleidigen. Und dennoch erinnert Romneys jüngste Bemerkung an seine abschätzige Aussage während des Wahlkampfs, wonach 47 Prozent der Amerikaner von der Regierung abhängig seien und deswegen automatisch für Obama stimmen würden. Und nicht nur das: Romneys Aussagen sind Ausdruck einer politischen Gesinnung, die weite Teile der republikanischen Abgeordneten teilen, die mit der sogenannten Tea-Party-Revolution seit 2008 in den Kongress gewählt wurden.

Demografisches und politisches Problem

Die Tea Party-Bewegung - zu der sich ultra-konservative Politiker wie Sarah Palin, Michelle Bachmann und Romneys Vizepräsidentschaftskandidat Paul Ryan bekennen und die aus einem Umfeld dogmatisch ausgerichteter Medien und Think Tanks ideologisch unterfüttert werden - hat die Republikanische Partei bei Kernthemen wie Einwanderung, Steuern, Bildung, Gesundheits- und Ausgabenpolitik weit nach rechts außen gerückt. Abweichler, die gegen den Tea Party-Kodex verstoßen oder zu Kompromissen mit Demokraten bereit sind, werden konsequent abgestraft.

"Die Republikanische Partei hat ein politisches und ein demografisches Problem", sagt Georg Schild, Professor für nordamerikanische Geschichte an der Universität Tübingen. Politisch müsse sie entscheiden, "ob sie weiter einen radikalen Anti-Sozialstaat und Anti-Obama-Kurs fährt." Außerdem müsse sich die Partei der Tatsache stellen, dass sie für Frauen und Minderheiten, besonders für Hispanics, unattraktiv sei. Schild stellt der Partei ein düstere Zukunftsdiagnose: "Wenn die Republikaner es nicht schaffen, Latinos anzusprechen, dann wird die Republikanische Partei untergehen. Sie wird zur dauerhaften Oppositionspartei verkümmern."

Schwindende weiße Mehrheit

Zwar scheint dieses republikanische Horrorszenario kaum vorstellbar nach einer Wahl, die der Amtsinhaber nur knapp mit 51 zu 48 Prozent gewonnen hat und in der die Republikaner ihre Mehrheit im Abgeordnetenhaus verteidigen konnten. Und dennoch spricht die Bevölkerungsentwicklung eine deutliche Sprache: Bei der diesjährigen Wahl betrug der Anteil der weißen Wähler an der Gesamtwählerschaft 72 Prozent. Doch dieser Anteil sinkt seit Jahren und wird bei der nächsten Wahl erneut geringer ausfallen. Nach offiziellen Prognosen werden weiße Amerikaner Mitte des Jahrhunderts erstmals weniger als die Hälfte der US-Bevölkerung stellen. Dieser Trend, sowie die Tatsache, dass Obama und die Demokraten klare Mehrheiten bei den wichtigsten Wählerschichten hinter sich haben, sollte bei den Republikanern eigentlich einen Umdenkprozess einleiten.

Republikanische Kandidaten bei den Vorwahlen (Foto:Jae C. Hong/AP)
Die Vorwahlen bedeuteten einen deutlichen Ruck nach rechtsBild: AP

Nicht unbedingt, widerspricht Theda Skocpol, Professorin für Regierungslehre und Soziologie an der Harvard University und Autorin eines Buches über die Tea Party-Bewegung. "Das ist sehr schwierig, weil die konservative Basis der Partei sehr festgefahren ist und jede Veränderung verweigert. Außerdem gibt es da noch die großen Parteispender, die auf jeden Fall ihre niedrigen Steuersätze behalten wollen", sagt Skocpol und ergänzt: "Ich glaube, sie werden sich zuerst beim Thema Einwanderung bewegen. Aber ich bin skeptisch, wie weit sie dabei wirklich gehen können, denn eine harte Linie gegen Einwanderung ist Kernbestandteil der Tea Party-Ideologie."

Ein weiteres Problem für einen möglichen Kurswechsel der Republikaner ist mangelndes Personal. Praktisch alle gemäßigten Republikaner wurden mit dem Rechtsschwenk im Laufe der vergangenen zehn Jahre aus der Partei gedrängt. Für die dann im Kongress verbleibenden Republikaner wird ein Kurswechsel hin zur politischen Mitte praktisch unmöglich. Schließlich sind die meisten von ihnen nicht nur politisch sehr konservativ ausgerichtet, sondern wurden wegen ihrer ultra-konservativen Haltung auch in den Kongress gewählt.

Neues Gesicht, alte Politik

"Ich glaube die Republikaner werden als erstes ein paar hispanische Kandidaten aufstellen, ohne ihre Prinzipien grundsätzlich anzupassen", betont Skocpol mit Verweis auf Marco Rubio, den aus Florida stammenden Shooting Star der Partei mit hispanischen Wurzeln. Aber reicht das um neue Wählerschichten anzusprechen? "Wahrscheinlich nicht", antwortet Skocpol. "Parteien geben extreme Positionen oft erst auf, nachdem sie mehrmals abgestraft wurden."

Florida Senator Marco Rubio Foto: Shawn Thew (EPA)
Marco Rubio aus Florida gilt als Hoffnungsträger der RepublikanerBild: picture-alliance/dpa

Dies bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass jetzt ein Prozess beginnt, den die Autoren John Judis und Ruy Teixeira schon vor zehn Jahren schon prognostiziert haben: eine dauerhafte politische Mehrheit für die Demokraten. Es könnte allerdings bedeuteten, dass die Republikaner 2016 erst nochmals eine schmerzhafte Wahlschlappe einstecken müssen, bevor sie zu einer echten Kurskorrektur bereit sind.