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Südafrikaner im Irak

Ranty Islam8. Januar 2008

US-Sicherheitsdienste rekrutieren Ex-Soldaten aus Ost- und Südafrika für den Einsatz am Tigris – sie sind billig und gut ausgebildet. Wird das Geschäftsmodell auch ein Ende des US-Engagements im Irak überdauern?

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Bewaffnete Personen in leichter Montur laufen über ein flaches Hausdach (Archivbild, Quelle: AP)
Bekommen Verstärkung aus Südafrika: private Sicherheitsfirmen im IrakBild: AP

Private US-Sicherheitsfirmen sind zuletzt wegen ihrer fragwürdigen Methoden im Irak in die Kritik geraten. Dem Unternehmen Blackwater USA entzog die irakische Regierung sogar die Lizenz, nachdem Angehörige des Dienstes im September vergangenen Jahres mindestens acht Zivilisten getötet hatten. Die Nerven bei den Privatarmeen liegen blank – nicht nur auf dem Schlachtfeld.

Der Wettbewerb zwischen Dutzenden der privaten Dienste im Irak aber auch Afghanistan sorgt für erheblichen Kostendruck. Jeder will den Kunden – allen voran der US-Regierung – den besten Deal für ihr Geld bieten. Um Kosten zu senken, muss billigeres Personal her. Das finden die Firmen vermehrt in Afrika.

Mehr Geld als in der heimischen Armee

Blutverschmierte Fahrertür eines Autos (Quelle: AP)
Mangelnde Kontrolle: Immer wieder werden Zivilisten Opfer privater Sicherheitsdienste, wie hier am 9. Oktober in BagdadBild: AP

KBR, Sentry und SOC-SMG (Special Operations Consulting-Security Management Group) sind einige der Unternehmen, die in Ost- und Südafrika rekrutieren. Die Angeworbenen haben kaum etwas mit den Mitgliedern der marodierenden, Kalaschnikow-schwingenden Banden zu tun, die viele der Bürgerkriege in Afrika bevölkern. Vielmehr sind es oft ehemalige oder arbeitslose Armeeangehörige, die nun für neue Einsätze jenseits der Heimat bereitstehen. Genaue Zahlen sind nicht bekannt. Aus Kenia sollen mehrere Tausend Angeworbene in den Irak und nach Afghanistan gebracht worden sein, sagte ein ehemaliger kenianischer Offizier dem US-Nachrichtenservice CNSNews im September.

Die meisten dieser Mitarbeiter werden nicht für unmittelbare Kampfeinsätze rekrutiert, sondern schieben Wachdienst oder arbeiten in der Logistik. Der Grund, weshalb Tausende ihr Leben in den gefährlichsten Ecken der Welt riskieren, ist Geld. Wesentlich günstiger als Rekruten aus Europa oder den USA, verdienen die afrikanischen Soldaten in US-Diensten immer noch ein Vielfaches dessen, was sie zu Hause an Geld sehen würden – selbst in der Armee ihres Landes.

Erfahrung aus der Apartheid-Ära

Zwei Personen mit leichter Uniform und Maschinengewehr, im Hintergrund ein weißer Geländewagen (Quelle: AP)
Auch andere Entwicklungsnationen stellen Personal für den Irak: Diese privaten Sicherheitsleute kommen aus FidschiBild: AP

Für den Kampfeinsatz im Irak besonders gefragt sind Ex-Soldaten aus Südafrika. Dem Christian Science Monitor zufolge schätzen Experten ihre Gesamtzahl im Irak gegenwärtig auf rund 4000. Südafrikaner seien in den irakischen Kampfzonen nach Irakern und US-Amerikanern die am drittstärksten vertretene Nationalität, sagt Alex Vines, Direktor des Afrika Programms am renommierten Think Tank Chatham House in London.

Viele der Ex-Soldaten, die im neuen Südafrika nicht mehr gebraucht würden, "sind extrem gut ausgebildet und haben aus der Zeit gegen Ende der Apartheid-Ära besondere Erfahrung in der Bekämpfung von Aufständischen". Das, so Vines, mache sie für die privaten Dienste, die im Irak operieren, zu idealen Rekruten. Die Nachfrage nach südafrikanischem Personal sei auch schon vor der Irak-Invasion groß gewesen – "so groß, dass 2003 sogar noch im Sold stehende südafrikanische Armeeangehörige auf einmal nicht mehr zum Dienst erschienen", bemerkt Vines.

Erinnerung an Sklavenhandel

US-Unternehmen, die in Afrika rekrutieren, um in Asien Geschäfte zu machen – das weckt Erinnerungen an einen anderen historischen Dreieckshandel, bei dem ebenfalls Afrikaner für den Profit Anderer ihren Kontinent verließen – verlassen mussten: Vor fast genau 200 Jahren machte US-Präsident Thomas Jefferson mit seiner Unterschrift unter ein entsprechendes Gesetz dem atlantischen Sklavenhandel offiziell ein Ende.

Für Produkte aus Europa verkauften afrikanische Sklavenhändler seinerzeit Leibeigene nach Amerika. Für amerikanische Unternehmen mussten die Sklaven dann etwa Baumwolle produzieren, die wiederum nach Europa verschifft wurde. Zwei Jahrhunderte später erweitern US-Sicherheitsfirmen ihre Profitmargen mit billigem Personal aus Afrika. Wirtschaftlich und sicherheitspolitisch macht das Recruiting von KBR und anderen in Afrika aber kaum einen Unterschied, sagt David Anderson, Direktor des Zentrums für Afrika Studien an der Universität Oxford.

Innerafrikanischer Markt viel größer

Soldat spricht in Feldradio und steht neben einem Militär-Konvoi (Quelle: dpa)
Bürgerkriege, Staatenkollaps, Kampf um Rohstoffe: Private Sicherheit ist in Afrika ein großes GeschäftBild: picture-alliance/ dpa

Der Zusammenbruch staatlicher Strukturen samt ihrer Armeen, Bürgerkriege und der Kampf um Rohstoffe sind Umwälzungen, die sowohl das Angebot ausgebildeter Kämpfer als auch die Nachfrage nach ihnen drastisch erhöht hätten, erläutert Anderson. "Die private Sicherheitsindustrie in Ländern vom Senegal über Nigeria bis Kenia ist im jeweils nationalen Kontext ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor." Der Sektor sei riesig und beschäftige Tausende. Auch in absoluten Zahlen sei er viel größer als etwa in Deutschland, fährt er fort.

Weil der Markt allein für die innerafrikanische Nachfrage bereits so stark sei, "haben auch ausländische Sicherheitsfirmen häufig schon eigene Dependancen vor Ort oder können auf lokale Netzwerke zugreifen", sagt Anderson. Wirtschaftlich, personell und sicherheitspolitisch "fällt das militärische Engagement afrikanischer Ex-Soldaten für den Irak daher bislang kaum ins Gewicht".

Mangelnde Kontrolle

Die historischen Bindungen zwischen ostafrikanischen Ländern wie Kenia und der Golf-Region spielen ebenfalls eine Rolle. Früher als Sklaven, heute als Billiglohn-Kräfte sind viele Kenianer in die Region gegangen – drei Millionen von ihnen leben heute dort, schätzt Anderson. Darüberhinaus sind unter den US-Toten im Irak auch einige in Kenia geborene Amerikaner. Der Irak ist also gar nicht so weit weg.

Das Ende der Bush-Regierung und eine möglicherweise sich damit andeutende Verringerung des militärischen US-Engagements im Irak könnten die "Bonanza" (Vines) für die privaten Sicherheitsdienste dort beenden. Doch, meint Vines, solange rechtliche Grundlagen und Kontrolle fehlen und die privaten Sicherheitsdienste keine Rechenschaft ablegen müssen, werde auch das Geschäftsmodell, mit Personal aus Afrika die Schlachtfelder der Welt kostengünstig auszurüsten, weiterleben.