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Sozialismus light

Steffen Leidel 15. Mai 2007

Medienwirksam verkündet Venezuelas Präsident Chávez Verstaatlichungen. Vor erlesenem Publikum buhlt seine Regierung aber um private Investoren. Die braucht er, um Venezuela in die erste Liga der Energiemächte zu führen.

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Bohrturm in Venezuela
Die Wirtschaft in Venezuela steht und fällt mit dem ÖlpreisBild: AP

Der venezolanische Vizeminister für Industrie und Bergbau Jesús Paredes ist zum ersten Mal in Deutschland und schon hat er eine Geschäftsidee. "Spargel haben sie hier doch nur von April bis Juni. In Venezuela gibt’s den das ganze Jahr über. Das wäre doch was." Nur mit Mühe macht der Minister ernste Miene. Dann schüttelt er sich, lacht. "Ok, war nur ein Scherz".

Zum Witzeln ist Paredes freilich nicht mit einer 30-köpfigen Delegation nach Deutschland gekommen. Wichtigster Programmpunkt war die Teilnahme an der Lateinamerika-Konferenz der deutschen Wirtschaft in Essen am Montag (15.5.) und Dienstag. Die Venezolaner haben Interesse an Technologie und Know-How aus Deutschland. "Wir haben Rohstoffe, vor allem Öl. Doch wir wollen sie nicht einfach nur exportieren, sondern in unserem Land verarbeiten", sagt Paredes. Dafür brauche man den deutschen Sachverstand. "Unsere Türen sind offen für private Investoren, das möchte ich betonen".

Rhetorik und Pragmatismus

Worte, die irgendwie nicht passen mögen zur Rhetorik, die man vom linken venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez gewohnt ist. Der wettert gerne gegen den Kapitalismus und proklamiert seinen "Sozialismus des 21. Jahrhunderts". Noch am ersten Mai feierte er mit viel Pomp die Verstaatlichung der Ölindustrie. Die "Herrschaft des Imperialismus" sei endgültig zu Ende, verkündete Chávez.

Öltanker auf dem Maracaibo-See im Osten von Venezuela (Leidel)
Erölförderung am Maracaibo-See im Osten von VenezuelaBild: DW/Steffen Leidel

Doch in Wirklichkeit steckt hinter solcher Rhetorik wenig Substanz. "Die Chávez-Regierung ist viel pragmatischer als es den Anschein hat", sagt Peter Rösler vom Ibero-Amerika-Verein in Hamburg. Die Verstaatlichung im Öl-, Strom- und Telefonsektor seien "keine wirklichen Verstaatlichungen, sondern vielmehr Übernahmen von Aktienmehrheiten an der Börse", so Rösler.

Rekordumsätze für deutsche Unternehmen

Zwar kämpft Venezuela derzeit mit einer galoppierenden Inflation, bei Grundnahrungsmitteln wie Fleisch, Milch oder Zucker kommt es zu Versorgungsengpässen. Gleichzeitig brummt die Wirtschaft. Gute Geschäfte für ausländische Unternehmen sind garantiert. Das wissen auch die deutschen Unternehmer, die in Venezuela tätig sind. Das Wachstum lag 2006 bei zehn Prozent. Das Bruttoinlandsprodukt stieg auf den historischen Höchststand von 170 Milliarden US-Dollar.

Laut dem Geschäftsführer der Deutsch-Venezolanischen Handelskammer in Caracas, Thomas Voigt, konnten deutsche Unternehmen in Venezuela Rekordumsätze verbuchen. "Daran wird sich auch in der nächsten Zeit nichts ändern", sagt Voigt. Auch Rösler rechnet damit, dass die Boomphase "auf asiatischem Niveau" weitergehen wird.

"Gute Geschäfte warten in der Erdölindustrie und bei Infrastrukturprojekten. Hier werden die Deutschen als Zulieferer von Technologie und Know-How gebraucht", sagt der IHK-Mann Voigt. Die staatliche Erdölgesellschaft PdVSA will in den nächsten fünf Jahren 56 Milliarden US-Dollar investieren, in der Infrastruktur warten Projekte im Wert von 100 Milliarden US-Dollar.

Die größten Ölreserven der Welt

Der fünfgrößte Erdölproduzent der Welt schwimmt dank des hohen Ölpreises in Petro-Dollars. Die Chávez-Regierung will in den nächsten Jahren die Rohölreserven im Orinoco-Becken erschließen. In einem 600 Kilometer langen und 70 Kilometer breiten Streifen parallel zum Orinoco-Fluss sollen die größten Ölreserven der Welt liegen. 1370 Milliarden Barrel, sagt die Regierung. 230 Milliarden werden derzeit zertifiziert.

"Die Reserven im Orinoco-Gürtel sind nicht nur für Venezuela interessant, sondern für die ganze Welt", sagt Antonio Vincentelli, Präsident der Erdölkammer Venezuelas. Die auf der Welt aktuell erschlossenen Erdölfelder reichten nicht aus, um die steigende Nachfrage zu decken. Die Vorkommen im Orinoco-Gürtel sind schwer zu fördern. Es handelt sich um Schweröl, dass durch aufwendige Verfahren aufbereitet werden muss. "Das ist inzwischen wirtschaftlich machbar", sagt Vincentelli. Nicht nur wegen neuer Technologie, auch dank des hohen Ölpreises.

Kubanischer Arzt behandelt Patientin in Caracas (Leidel)
Kubanische Ärzte und medizinische Einrichtungen werden aus den Erdölgeldern bezahltBild: DW/Steffen Leidel

Das Geschäft ist so lukrativ, dass die ausländischen Firmen, die in dem Gebiet operieren - darunter die US-Gesellschaften Exxon Mobil und Chevron, die französische Total, British Petroleum und Statoil aus Norwegen – die von Chávez angeordnete Umwandlung in Joint-Venture-Unternehmen akzeptiert haben, bei denen der venezolanische Staat die Kapitalmehrheit von 60 Prozent hält. Nur Conoco-Phillips verhandelt noch mit der Regierung.

"Das Geld aus dem Erdölgeschäft wird nicht nur reinvestiert, sondern fließt auch in unsere Sozialprojekte", versichert Vizeminister Paredes. Lateinamerika-Experte Rösler sieht hier gute Ansätze. Er begrüßt auch die Pläne der Regierung, das Land zu industrialisieren und nicht mehr nur reiner Rohstofflieferant zu sein. Denn noch steht und fällt die Wirtschaft des Landes mit dem Ölpreis. "Die Pläne müssen nun auch konsequent umgesetzt werden", sagt Rösler. Hier hofft er, dass Chávez weniger auf Rhetorik und mehr auf Pragmatismus setzt.