Streubombenverbot
18. Mai 2008Streubomben sind die tödlichen Hinterlassenschaften eines Krieges. Eine einzige dieser Bomben wirft bis zu 1000 kleinere Bomben ab und ist deshalb vor allem auch eine Gefahr für die Zivilbevölkerung. Denn bis zu 40 Prozent der Sprengkörper explodieren nicht und bleiben liegen. 98 Prozent aller Opfer von Streubomben sind Zivilisten, schätzen Menschenrechtsorganisationen, ein Viertel davon Kinder. Sie fordern deswegen ein Verbot dieser Waffen.
Bald könnte es soweit sein. Vom 19. bis zum 30. Mai tagt in Dublin eine internationale Konferenz: Mehr als 150 Staaten beraten dort, wie die "Cluster Bombs" geächtet werden können. Es ist bereits die vierte Konferenz dieser Art. Bleibt alles im Zeitplan, dann könnte ein weltweites Verbot zur Ächtung von Streubomben Ende 2008 unterschriftsreif sein. "Ungefähr 100 Staaten haben sich bereiterklärt, den Vertrag mitzutragen", sagte Marianne Heuwagen, Direktorin von Human Rights Watch in Deutschland. "Wir hoffen, dass es noch mehr werden und der Vertrag Ende des Jahres unterschrieben werden kann."
Verstoß gegen Völkerrecht
Ein solches Verbot wäre nach Ansicht von Rüstungsexperte Peter Lock überfällig. Ihr Einsatz sei ein Verstoß gegen die Genfer Konvention und völkerrechtswidrig, argumentiert er. Denn die Zivilbevölkerung dürfe niemals Ziel von Kampfhandlungen sein. Streubomben gefährden aber nach Kriegsende noch über Jahre hinweg Zivilisten.
Außerdem sei es nur konsequent, Streubomben zu verbieten, nachdem Antipersonenminen schon seit 1997 geächtet sind: "Nach Beendigung des unmittelbaren militärischen Einsatzes sind Streubomben beziehungsweise das, was nicht explodiert ist, Antipersonenminen", sagt Lock.
Ausnahmen gefordert
Nicht alle Staaten unterstützen ein vollständiges Verbot von Streubomben. Länder wie Deutschland, Schweden und Dänemark wollen Munition, deren Blindergängerquote unter einem Prozent liegt, weiter erlauben.
Experten bezweifeln, dass das realisierbar ist. "Der Beweis, dass die Blindgängerquote tatsächlich bei einem Prozent liegt, ist nie gegeben worden oder nur in Laborsituationen, die mit Realsituationen relativ wenig zu tun haben", sagt Francois De Keersmaeker von Handicap International. Solche Waffen seien auch im Libanon-Krieg 2006 eingesetzt worden. "Vor Ort hatten sie eine Fehlerquote von über zehn Prozent."
De Keersmaeker gibt Versuchen, das geplante Verbot der Bomben durch Ausnahmen zu entschärfen, allerdings wenig Chancen: "Die Rahmenbedingungen lassen kaum Spielraum für Staaten, die noch Einschränkungen durchsetzen wollen."
Protest gegen deutsche Haltung
"Die Bundeswehr würde wahrscheinlich ganz auf Streubomben verzichten", vermutet Rüstungsforscher Lock, der die Haltung der Bundeswehr fragwürdig findet. "Ich glaube nicht, dass sich die deutsche Regierung mit dieser Position einen Gefallen tut. Vielleicht will sie damit eine möglichst große Zahl von Nationen einfangen."
Und in Deutschland regt sich auch in den Regierungsfraktionen Protest gegen die offizielle deutsche Haltung. "An den benannten offenen Fragen darf eine Unterschrift Deutschlands unter den Vertragsentwurf von Dublin schlichtweg nicht scheitern", schreiben die Abgeordneten Andreas Weigel (SPD) und Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) in einem Brief an das Auswärtige Amt. Die Bundesregierung dürfe sich nicht "von den Interessen der militärischen Industrie" unter Druck setzen lassen.
Vorbild Landminenkonvention
Einige wichtige Staaten werden das Abkommen voraussichtlich nicht unterzeichnen. Die USA, Russland und China gehören dazu, aber auch Israel, das 2006 im Süd-Libanon Streubomben eingesetzt hat. Menschenrechtsgruppen sind dennoch optimistisch. "Die Großmächte werden mit Sicherheit ihre Meinung noch ändern, wenn sich einmal eine breite Koalition zusammengefunden hat", ist sich Heuwagen sicher, "das war beim Landminenverbot genauso".
Herstellung, Lagerung und Handel von Minen, die sich gegen Personen richten, sind 1997 in Ottawa geächtet worden. 156 Staaten haben das Abkommen inzwischen ratifiziert. Russland, die USA und China gehören allerdings nicht dazu. Trotzdem ist der Handel mit Antipersonenminen laut Auswärtigem Amt inzwischen fast vollständig zum Erliegen gekommen. Deswegen gilt das Abkommen als Erfolg und Vorbild für die Kampagne gegen Streubomben.
"Die Nutzung von Antipersonenminen ist in den letzten zehn Jahren extrem zurückgegangen", sagt De Keersmaeker. "Genau das wollen wir mit der Konvention gegen Streumunition auch erreichen." Selbst ein Land wie die Vereinigten Staaten, die das Anti-Personenminenverbot nicht unterschrieben haben, engagiert sich heute finanziell in der Beseitigung von Antipersonenminen, hat Rüstungsforscher Lock beobachtet: "Das zeigt, dass man sich des Problems bewusst ist."