NSA für Verfassungsschutz "wertvoll"
4. Mai 2015Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, hat erhebliche Probleme im Umgang mit radikalen Islamisten eingeräumt. "Wir haben den Eindruck, dass die Salafisten in Deutschland eine Bewegung sind, die in bestimmten Jugendkreisen als cool angesehen werden", sagte Maaßen dem Sender n-tv kurz vor einer Tagung der Spitzen der deutschen Sicherheitsbehörden über die Bedrohung durch islamistischen Terrorismus in Berlin. "Man kann schon fast sagen, es ist eine Art Jugendkultur." Dies führe zu großer Sorge bei den Sicherheitsbehörden.
Maaßen dämpfte Hoffnungen, frustrierte Rückkehrer aus den Konfliktgebieten im Irak oder in Syrien könnten den Behörden als Kronzeugen dienen, um mehr über die extremistische Szene zu erfahren. "Es wäre wünschenswert, aber bisher haben wir da noch keine Erfolge gehabt", sagte Maaßen. Viele dieser Rückkehrer seien eben nicht frustriert, sondern "viele sehen es als cool an, für ein halbes Jahr dort gewesen zu sein." Auch scheuten sich diejenigen, die im Nahen Osten schwere Straftaten begangen hätten, sich den Sicherheitsbehörden zu offenbaren.
Auch die im hessischen Oberursel festgenommenen Salafisten waren "nicht auf unserem Radarschirm", sagte Maaßen im ARD-"Morgenmagazin". Sie seien zwar den hessischen Landesbehörden bekannt, aber nicht als sogenannte Gefährder eingestuft gewesen. Insofern seien die Behörden auch auf die Mitarbeit der Bürger angewiesen: "In diesem Fall können wir alle dankbar sein, dass die Mitarbeiterin in dem Baumarkt, wo Wasserstoffperoxid von den beiden gekauft werden sollte, aufmerksam war und die Sicherheitsbehörden alarmiert hat."
Der "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" zufolge hatten die beiden Beschuldigten Kontakte zu Syrien-Rückkehrern. Bei der Observation des 35 Jahre alten Deutsch-Türken sei festgestellt worden, dass er Beziehungen zu Gefährdern aus der Islamistenszene im Rhein-Main-Gebiet gehabt habe. Das Paar steht im Verdacht, einen Anschlag auf ein großes Radrennen in Frankfurt vorbereitet zu haben. In der Wohnung des Paares wurden eine funktionsfähige Bombe sowie Waffen und Materialien zur Herstellung von Sprengstoff gefunden.
"Vernetzter Extremismus"
Eindringlich warnte der Verfassungsschutzpräsident vor dem Hintergrund der BND- und NSA-Affäre davor, die Zusammenarbeit mit ausländischen Geheimdiensten einzuschränken. "Der Islamismus ist ein vernetzter Extremismus und inzwischen Terrorismus - vernetzt von Syrien und Irak bis hin nach Deutschland und in die westliche Welt", sagte er der ARD. Dem müsse die auch internationale Vernetzung der Sicherheitsbehörden gegenübergestellt werden. Die Behörden müssten wissen, was in Syrien und im Irak vor sich gehe, "wer ist dort aus Deutschland angekommen, und wer wird wieder zurückkommen? Und deshalb sind die ausländischen Nachrichtendienste und auch der BND für die Informationsbeschaffung für uns sehr, sehr wertvoll".
"Zutiefst unanständig"
Dem BND wird vorgeworfen, den US-Geheimdienst NSA auch bei der Ausspähung deutscher Bürger und Unternehmen sowie europäischer Partner unterstützt zu haben. Maaßen nahm in diesem Zusammenhang Bundesinnenminister Thomas de Maizière in Schutz, dem vorgeworfen wird, schon 2008 als Kanzleramtschef davon gewusst zu haben. Die Berichterstattung über den Minister sei "zutiefst unanständig", sagte Maaßen bei der Tagung der Sicherheitsbehörden in Berlin. Maaßen dankte de Maizière für die "klare und unmissverständliche Unterstützung" für den ihm unterstellten Verfassungsschutz. Durch fortgesetzte Unterstellungen, die Geheimdienste würden versuchen, ihre Befugnisse unberechtigt ausbauen, werde den Sicherheitsbehörden das Vertrauen entzogen. Dies schade letztlich der Gesellschaft, da die Geheimdienste ihre Aufgaben nicht wie nötig erfüllen könnten.
Innenminister de Maizière äußerte sich ähnlich. "Wir müssen uns noch viel mehr mit unseren Partnern austauschen", sagte er bei der Tagung. In der BND-Affäre wies er erneut eigenes Fehlverhalten zurück und kündigte eine Aussage am Mittwoch vor dem Geheimdienst-Kontrollgremium an. Es sei gut, dass ihm dort die Möglichkeit gegeben werde, die Unterstellungen gegen ihn auszuräumen.
Die Spitzen der Sicherheitsbehörden diskutieren in Berlin über die Bedrohung durch islamistischen Terrorismus in Deutschland und Europa. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat dazu zahlreiche Experten von Polizei und Geheimdiensten sowie aus Politik und Wissenschaft eingeladen. Mit dabei sind neben Verfassungsschutzpräsident Maaßen und Innenminister de Maizière, der Präsident des Bundeskriminalamts, Holger Münch, und der Chef des Bundesnachrichtendienstes, Gerhard Schindler.
Die islamistische Szene in Deutschland wächst kontinuierlich, insbesondere die Gruppe der Salafisten. Polizei und Geheimdienste beobachten die Entwicklung seit langem mit Sorge. Bislang sind bereits rund 680 Islamisten aus Deutschland in die Kampfgebiete des Islamischen Staates nach Syrien und in den Irak ausgereist. Gut 230 von ihnen sind laut Verfassungsschutz inzwischen wieder zurückgekehrt. Bei etwa 50 davon gibt es Erkenntnisse, dass sie Kampferfahrung gesammelt haben.
stu/as (afp, dpa, rtr)