Demonstranten stürmen Parlament in Skopje
27. April 2017Mehr als Einhundert aufgebrachte Anhänger des langjährigen Regierungschefs Nikola Gruevski haben das Parlament in der Hauptstadt Skopje gestürmt. Die teils vermummten Angreifer gingen mit Stühlen auf Oppositionsabgeordnete los. Dabei wurden Medienberichten zufolge mindestens zehn Menschen verletzt, unter ihnen Oppositionsführer Zoran Zaev.
Gewaltsame Demonstranten
"Es herrscht Chaos" beschrieben Augenzeugen die Lage. Neben den Abgeordneten seien auch Journalisten verprügelt worden. Die Polizei sei nur mit wenigen Beamten vor Ort gewesen und habe den Ansturm nicht verhindert, hieß es. Erst am späten Abend reagierte sie mit einer kompletten Räumung des Gebäudes. Mit Tränengas wurde zunächst die Menschenmenge vor dem Parlament aufgelöst, danach drehten die Beamten im Gebäude den Strom ab.
Die konservativ-nationalistischen Demonstranten protestieren gegen den Plan des Sozialdemokraten Zaev, sich mithilfe einer Partei der albanischen Minderheit zum Regierungschef wählen zu lassen. Sie sehen darin eine Gefahr für die Einheit und Souveränität Mazedoniens. Auslöser für die Eskalation am Donnerstag war die Wahl des albanisch-mazedonischen Politikers Talat Xhaferi zum Parlamentspräsidenten. Die Sozialdemokraten (SDSM) und Abgeordnete der albanischen Minderheit hatten Xhaferi gewählt. Gruevskis langjährige Regierungspartei sprach von einem "Putsch".
EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn kritisierte die Erstürmung "auf das Schärfste". Im Kurzbotschaftendienst Twitter schrieb er: "Gewalt hat keinen Platz im Parlament. Die Demokratie muss ihren Lauf nehmen."
Staatspräsident Djordje Ivanov rief nach den Tumulten zu Besonnenheit und Mäßigung auf. Er forderte die Vorsitzenden der im Parlament vertretenen Parteien auf, sich an diesem Freitag zu einem Gespräch zur Lösung des Problems in der Präsidialkanzlei einzufinden, berichteten die Medien in der Hauptstadt. "Es gibt keine Fragen, die nicht im Dialog gelöst werden können", sagte Ivanov.
Lahmgelegtes Parlament
Mazedonien wird seit 2015 von einer politischen Krise gelähmt. Auch Parlamentswahlen im Dezember hatten keinen Ausweg gebracht. Präsident Ivanov, ein enger Gruevski-Gefolgsmann, weigert sich seitdem, Zaev ein Mandat zur Regierungsbildung zu erteilen, obwohl dieser mit den albanischen Abgeordneten eine Mehrheit im Parlament hätte. Durch Dauerreden und Verfahrenstricks legte das Gruevski-Lager in den vergangenen Wochen das Parlament lahm. Dadurch konnte weder ein Parlamentspräsident noch die neue Regierung durch die Abgeordneten gewählt werden.
Die langjährige konservative Regierungspartei VMRO-DPMNE, die zwar mit zwei Sitzen mehr als Zaevs SDSM aus der Wahl hervorgegangen war, hatte keine Koalition zustande bekommen.
Die EU bemüht sich bislang erfolglos um eine Beilegung des Konflikts. 20 bis 25 Prozent der rund 2,1 Millionen Einwohner Mazedoniens gehören der albanischen Minderheit in dem Balkanland an.
rk/qu (afp, dpa)