Der Vermittler
24. Mai 2007Roger Martin Buergel will das Publikum verführen. Er spricht von Zauberwäldern und Palmeninseln, von kulinarischen Genüssen und der Schönheit der Kunst. Dabei steht für ihn aber nicht Kunstkonsum im Vordergrund, sondern das, was er "ästhetische Erziehung" nennt. "Worum es für mich geht, ist den Leuten die Sicherheit zu geben, dass sie auch ohne große Vorbildung in eine Betrachtung einsteigen können, weil sie die wesentlichen Ressourcen, die sie brauchen, um Kunst zu verstehen in sich tragen", sagt er.
Eingespieltes Team
Roger Martin Buergel wurde 1962 in Berlin geboren. Im Jahr 2003 wurde er von sieben Chefs zeitgenössischer Museen zum Leiter der documenta 12 ernannt. Zusammen mit seiner Lebensgefährtin, der Wiener Kunsthistorikerin Ruth Noack, wird er das so genannte "Museum der 100 Tage" vom 16. Juni bis zum 23. September kuratieren. Seit zweieinhalb Jahren leben sie mit ihren beiden Kindern in Kassel. Denn auch das ist für Buergel wichtig: dort zu leben, wo man arbeitet, und eine Beziehung zu Kassel und seinen Bürgern herzustellen. Auch sie werden schließlich einen Teil des documenta-Publikums ausmachen.
Lange Zeit hat Buergel im Ausland gelebt und gearbeitet: In Amerika, Frankreich, England, Spanien und zuletzt in Österreich. Er ist Mitbegründer der Kunstzeitschrift "Springerin" - eines der international renommiertesten europäischen Magazine für Trends in der Gegenwartskunst. Auch in der Vergangenheit hat er bereits zusammen mit Ruth Noack kuratiert, zum Beispiel eine Schau anlässlich der Expo 2000 in Hannover.
Bildung als Thema
Als Kurator hat ihn oft die Frage der Beziehung zwischen Kunst und Macht beschäftigt. Diesmal beschäftigt ihn auch die Bildungsmisere in Deutschland. "Ich habe 20 Jahre nicht in Deutschland gelebt, also habe ich eigentlich Deutschland neu kennen gelernt. Die Welt war mir relativ vertraut, aber ich fand es tatsächlich interessant, nachdem ich Deutschland nach dem Abitur verlassen hatte, hier wieder zu arbeiten - also in ein Land zu kommen, dass diese Wiedervereinigung mehr oder weniger verdaut hat, und mit den Mentalitäten umzugehen. Aber auch dieser wachsenden Bildungskatastrophe in kulturellen Dingen zu begegnen." Es sei offensichtlich, dass die Leute kulturelle Defizite hätten. Wenn zum Beispiel zeitgenössische Maler über das "Historienbild" redeten, wisse niemand mehr, was ein Historienbild sei. "Das sind Dinge, die einen bewegen. Wo es auch darum geht, mit der Ausstellung Antworten darauf zu finden."
Buergel hat Kunst, Philosophie und Wirtschaftswissenschaften in seiner Heimatstadt Berlin und in Wien studiert. Dass Kunst heute international ist und nicht mehr nur den westlichen Standpunkt reflektiert, ist für ihn selbstverständlich. So hat er bei seinen Auslandsaufenthalten viele verschiedene Sichtweisen moderner Kunst kennen gelernt, die er in sein documenta-Konzept einbezieht.
Alt und neu
Auch die "alte Kunst" als Ursprung vieler moderner Strömungen bekommt ihren Raum. Bei seinen Reisen habe er irgendwann gemerkt, dass ihn alte Kunst mehr interessiere als zeitgenössische. Des Galerielebens und der Biennalen sei er irgendwann überdrüssig geworden. Es interessierten ihn frühchristliche Kirchen oder auch Pyramiden in Mexiko wesentlich mehr. Nun möchte er zwischen "alter" und zeitgenössischer Kunst vermitteln. Und er sei gespannt, sagt er, wie sein Vermittlungskonzept von den Besuchern aufgenommen wird.