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Verwirrung als Konzept - Ein neuer Marx in Trier

Marie Mévellec8. Juni 2005

Im Karl-Marx-Haus in Trier wird die neu gestaltete Ausstellung über das Leben des Philosophen, Historikers, Journalisten und Kapitalismuskritikers eröffnet. In diesem Hause wurde Marx am 5. Mai 1818 geboren.

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Seine Ideen haben noch lange keinen Bart: Karl Marx, der Verfasser des "Kapital"Bild: dpa - Fotoreport

Das Museum bietet eine neue Daueraustellung über das Leben des Begründers des Marxismus, über sein Werk und erstmals auch über die weltweite Wirkungsgeschichte, die vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart reicht. Damit soll sich der Besucher mit Marx und seinem enormen Einfluss auf das 20. Jahrhundert auseinandersetzen.

Dieses Ziel soll durch neue Medien und ein völlig neues Konzept der Innenausstattung des Hauses erreicht werden.

Archikektonische Akzente

Das Geburtshaus von Karl Marx
Das Geburtshaus von Karl Marx in Trier. Seit 1968 ist die Friedrich-Ebert-Stiftung Trägerin des Gebäudes und verantwortlich für die Ausstellung.Bild: dpa - bildfunk

Was bedeutet Karl Marx heute, warum ist es sinnvoll, sich mit ihm und seiner Bedeutung für die Geschichte zu beschäftigen? Fragen, die das neue Museum beantworten will, indem es den Besucher anregt, selbst nachzudenken. Im Karl-Marx-Geburtshaus werden keine vorgefertigten Meinungen gegeben. Die Menschen sollen selbst die Antworten finden. Dafür gibt das neue Museum Anstöße, zunächst optischer Art. Matthias Hühnlein, der Architekt, erklärt, warum: "Die grundsätzliche Überlegung bei der Gestaltung des Hauses war, diesen störenden Faktor, den Marx damals in die Gesellschaft gebracht hat, auch ins Haus einzubringen, das heißt die sehr nette und gefällige Form des Hauses bewusst zu stören. Dafür haben wir in den Boden eine quadratische Fläche, die alle Räume durchdringt, eingebracht, die sich an den Wänden bis auf die Decke fortsetzt und damit dann einen imaginären Raum im Raum schafft."

Auf eine runde Tafel werden bekannte Zitate von Marx und Meinungen über ihn projiziert - positive wie negative. Wer sich mehr für ein Thema interessiert, kann sich in einer elektronischen Datenbank, an "PC-Vertiefungsstationen", weiter schlau machen. Die neue attraktive, leuchtend helle Gestaltung der Ausstellung setzt auf Kontraste: Farben und Licht sorgen ständig für eine anregende Stimmung.

Im Ausland oft aktueller als bei uns

Der alte Wissenstand von 1982 wurde aktualisiert. So ist die Ausstellung nicht mehr nur eine historische, weit weg von der heutigen Realität, sondern sie stellt zugleich Bezüge zur aktuellen politischen Entwicklung her: Außerhalb Europas gab und gibt es noch Länder, die sich auf Marx berufen: China, Kuba, Chile, Vietnam und auch Länder in Afrika. Der Versuch von Marx - nämlich aufzuzeigen, wie sehr Ökonomie das Leben bestimmt - sei auch heute aktuell, sagt die Historikerin und Museumsleiterin Beatrix Bouvier. Sie beschreibt die Ziele der neuen Ausstellung: "Wir wollen die Besucher damit konfrontieren, dass sie sagen, es lohnt sich, einen Blick in die Geschichte zu werfen? Hat dieser Mann in seiner Zeit nicht einen Prozess analysiert, der zwar nicht vergleichbar ist mit dem heutigen, aber der die Menschen ebenso hilflos und ratlos machte, wie der Prozess, der heute unter dem Stichwort Globalisierung läuft?"

Für Chinesen fast ein Heiliger

Karl-Marx-Haus in Trier vor Wiedereröffnung
Letzte Renovierungsarbeiten vor der NeueröffnungBild: dpa - Report

Sich mit Marx unbefangen auseinander zu setzen, mit den Fragen, die er gestellt hat, nicht mit seinen Antworten - das werden wohl viele Besucher machen, und ganz ohne Zweifel viele Chinesen. Denn ein gutes Drittel der 35.000 Besucher im Jahr sind asiatische Gäste, zum größten Teil aus China. Für sie ist der Besuch des Museums eine Art Pilgerfahrt.

Elisabeth Neu ist Museumspädagogin im Karl-Marx-Haus und für die Führungen zuständig: "Die Chinesen sind sehr ehrfurchtsvoll, wenn sie ins Haus kommen. Ich hatte letztes Jahr einen Professor mit seiner Ehefrau geführt, die sich wirklich am Ziel ihrer Wünsche angekommen sahen."

Die chinesischen Touristen sind besonders an dem Privatmann Marx interessiert, weil sie ihn nur als Autor und Ideologen kennen. Aber in den letzten Jahren seien die Betrachtungen dieser Gäste kritischer geworden, sagt Elisabeth Neu. "Man sieht es an den Reaktionen im Gästebuch. Da lesen wir schon Mal kritische Einträge wie 'Es war gut gemeint, aber es endete in Unfreiheit in unserem Land'."

Kritische Reflexion des marxistischen Systems

Die neue akustische Führung, die das Museum in vier Sprachen anbietet - deutsch, englisch, französisch und chinesisch - enthält auch kritische Anmerkungen zu China. Der Platz des Himmlischen Friedens, auf dem 1989 die Demokratiebewegung blutig niedergeschlagen wurde, kommt darin vor.

Die jetzige Ausstellung wird vom Museumsteam auch als ein Test gesehen, denn kritische Elemente waren früher wenig vorhanden. Auf die Reaktion der Chinesen - und der anderen Besucher aus aller Welt - ist man im Karl-Marx-Haus in Trier sehr gespannt.